Samstag, 5. Juli 2025
Die Woche vor der Abreise entpuppt sich als Hochadrenalinsprint. Dringende Ohrenarzttermine für Nicole. Wolken bezüglich Louisas Kanada-Visum tauchen am Horizont auf. Ein neues Handy, das zunächst im Lieferzentrum hängen bleibt und erst kurz vorm Flug, nach strengen Nachfragen, mit dem Vermerk "VIP" plötzlich geliefert wird. Bei Datenübertragen verschwindet eine essentielle Bank-App und hätte danach gerne einen jahrealten QR-Code, der auch nach langem Suchen (wenig überraschend) unauffindbar bleibt. Wir finden eine Lösung und so geht auch das alte Handy mit auf die Reise. Lufthansa meldet einen überbuchten Flug und ob man vielleicht einen späteren Termin nehmen möchte. Wollen wir nicht.
Und dann geht um 4.30 Uhr der Wecker. Diesmal erscheint der Weg zum Parkhaus am Terminal 3 viel kürzer. Die Koffer sind zügig weg, die Reiseleitung lockt mit dem Versprechen auf leckere Bäckereien schnell zum Gate. Allein, das gelobte Land liegt hinter der Zollkontrolle - und da wir den ersten Flug nach Amsterdam haben, müssen/dürfen wir da ja garnicht hin (Die Backwaren wurden beim Flug nach Birmingham entdeckt, da muss man inzwischen wieder aus der EU ausreisen). Es bleiben genau eine Bäckerei und ein Gate mit dem Charme einer überdimensionierten Bushaltestelle. Und wir haben eineinhalb Stunden Zeit.
Auf dem Lufthansa Flug gibt es Turbulenzen anderer Art: Ein niederländisches Pärchen vor Louisa und Nicole tickt aus, als es die afrikanische Kunst im Gepäckfach in Gefahr wähnt. Schreie, Schläge, bis ein offensichtlich geschulter Steward ihnen sehr tief in die Augen schaut und mit dem Rauswurf aus der Maschine droht. Im Zweifel bei einer Zwischenlandung auf dem Weg nach Amsterdam. Die Frau wird von ihrem Begleiter fortan sehr fest gehalten, der Steward schaut regelmäßig vorbei und die Atmosphäre ist nicht ganz entspannt.
Der Flughafen Schipohl begeistert. Weite hohe Räume, keine lauten Durchsagen ("wir sind ein leiser Flughafen" ), zumindest im Transitbereich eine große Auswahl ansprechender Gastronomie. Zu ansprechend - und so wird es natürlich wieder knapp. Denn erst direkt vor dem Pass-Automaten stellt sich heraus, dass Louisa mit 13 noch in die lange Warteschlange muss, Mutter und Tochter reihen sich also ein. Das hätte nie geklappt, hätte nicht eine Flughafenmitarbeiterin auf Nachfrage noch schnell den Weg zu einer kurzen Schlange gefunden. Wobei da dann an der Grenze Mal wieder ein Azubi eingelernt wurde und den Eindruck vermittelte, dass es die ersten Pässe sind, die er in seiner Karriere zu sehen bekommt.
Der Flug mit Air Canada, einer Boeing Dreamliner, ist superentspannt. Kein Vergleich mit dem Gezuckel in der alten Lufthansa-Boeing auf dem Weg nach Singapur. Das Personal ist zurückhaltend, aber freundlich. Essen passabel, Kaffee sogar aus der Kanne. Die Kanadierin (Toronto/Inderin) neben Nicole ist superlieb, der Film "Wicked" vertreibt in der Frauenreihe die Zeit. Faszierend: Die Fensterscheiben werden automatisch dimmt, man hat das Gefühl, unter Wasser zu treiben.
Wir landen sogar etwas früher. Eine große Halle mit digitalen Geräten zur Einreisekontrolle erwartet uns - und wir sind alle vier gleich durch. Alle vier! Ausatmen. Die Dame an der Passkontrolle hasst offensichtlich ihre Arbeit. Aber alle anderen Kanadier danach (das klingt so einheitlich, ist aber tatsächlich sehr bunt, vom alten Inder mit Dutt über die jungen afrikanisch-stämmigen bis zum Asiaten im Taxi) halten sich an das Klischee der freundlichen Nation. Im Hotel bekommen wir zunächst das falsche Zimmer zugeteilt: Die Tür geht nicht auf und wir hören Stimmen, hm. Der junge Franko-Kanadier an der Rezeption ist peinlich berührt - und irgendwann sind wir im richtigen Zimmer. Es ist für uns 21 Uhr abends. Alle vier sinken erstmal aufs Bett und schlafen kurz ein.
17.30 Uhr Ortszeit / 23.30 Uhr deutsche Zeit sind wir wieder unterwegs. Drei könnten im stehen weiterschlafen, bei der Reiseleitung wandelt sich die Müdigkeit in pure Euphorie. Eine knifflige Mischung. Und essen müssten wir auch Mal. Wir spazieren Richtung Alter Hafen, wobei das einzig alte inzwischen ein Uhrturm ist. Der Rest ist Grün, Vergüngungszone, Stadtstrand (der schon schließt), Yachthafen. Ein Blick auf den St. Lorenz-Strom, der schon hier ein ziemlich Reißender Fluss ist, auf dem johlende Touristen in Booten gegen die Wellen krachen. Picknicktische, saubere und kostenlose öffentliche Toiletten. Schön hier, mit etwas Australien-Flair.
Dann gehen wir Richtung Vieux Montreal, also französische Altstadt, und die Sache entgleist etwas. Am frühen, sehr warmen Abend, sind die Massen unterwegs. Alle Restaurants sitzen voll, alle Take-Aways haben lange Warteschlangen. Also auf gen Chinatown, vorbei an Zelten von Obdachlosen, derer es stellenweise sehr viele gibt. In Chinatown wird es noch voller, außerdem scheint es ein Verkleidungsevent zu geben. Viele Cosplayer, also in japanischen Manga-Kostümen, zahllose Elfen, ganze Familien in Super-Mario-Outfit - und wir etwas überhitzt, übermüdet und komplett überfordert mittendrin. "Fiebertraum", seufzt Kilian. Dass das vorab ausgewählte China-Restaurant als einziges in der Straße geschlossen hat (und der Rest knallvoll ist), hilft wenig. Wir treiben weiter - und es wird immer dichter. In der einen Straße wird das Ende des Jazzfestivals gefeiert, woanders spielt ein Straßenmusiker. Tausende sind unterwegs. Wir tauchen kurz in einen Supermarkt ab, um Wasser zu kaufen, und staunen über das Angebot. Dann geht es wieder auf die Straße - Pizzastücke vom Straßenhändler erweisen sich als letzte Rettung. Das (kostenlose) Zirkusfestival samt Musik spielt nur ein paar Meter vom Hotel. Nur kurz hören wir zu, dann geht es unter die Klimaanlage. Und um 21 Uhr Ortszeit, deutsche Zeit 3 Uhr morgens, schlafen alle tief und fest.
Sonntag, 6. Juli
Alle vier schlafen sagenhaft gut. Anders als befürchtet sind wir auch erst weit nach 6 Uhr wach. Duschen und kurz nach 8 Uhr ins Café Lulu relativ um die Ecke. Von außen etwas abgerissen, innen erwärmt es das Herz. Der Chef würde uns direkt die französische Speisekarte übersetzen, falls wir etwas nicht verstehen, ob wir noch Wünsche haben, ob er was helfen kann ... Croissants. Lachsbagel, Nutella-Crepes munden. Nochmal kurz ins Hotel, dann zu Fuß zum (nicht)alten Hafen. Vieux Montreal schläft noch, kaum jemand ist auf der Straße.
Am Wasser bewundern wir das große Zelt des Cirque du Soleil, bevor wir um 10 Uhr aufs Schiff hüpfen, das uns über den Strom auf die Insel zum Park Jean Drapeau bringt. Sehr grün, viele gepflege Picknickplätze, kostenloses BBQ - das funktioniert offensichtlich auch hier. Was wie immer die Frage aufwirft: Warum nicht bei uns ... Nach kurzen Irrungen und Wirrungen machen wir uns zu Fuß auf zum Infocenter. Denn dank Insta kennt die Reiseleitung zwei Attraktionen: Ein kostenloses Touribähnchen (das nehmen wir bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit gerne. Man muss vorher ein Ticket holen) und große Pflanzenskulpturen. Der stete Hintergrundsound sind die jubelnden Fans bei einem Wettbewerb im Schwimmbad, dem schönsten in ganz Kanada, wie wir im Bähnchen informiert werden. Lokalpatriotismus vom Feinsten.
Mit dem Bähnchen zuckeln wir über eine Formel-1-Rennstrecke, die gerade von Radlern und Joggern genutzt wird, vorbei an Pavillons der Expo 1967. Das massive französische Gebäude beherbergt inzwischen das Casino. Wir steigen - das ist etwas außerplanmäßig, weil eigentlich nicht so gedacht - am Casino aus und bummeln durch den Park. Dort sind seit Kurzem große Blumenskulpturen zu sehen: Ein Hirte mit Schafen, ein wunderschöner Frauenkopf. Beide sind durchaus gut besucht, gemessen daran, wie viele Menschen in der Stadt sind, ist das aber harmlos. Ein kleiner Stand verkauft Hotdogs, für etwas 4 Euro das Stück. Dann laufen wir zurück zur anderen Insel und nehmen die Metro in unser Viertel.
Aber gleich ins Hotel ... Dafür ist es noch zu früh. Also bummeln wir durch die Straßen, in denen abends die Events stattfinden und dann geht es knapp 20 Minuten hügelaufwärts zum Café Chat l'heureux, einem Katzencafé. Ein ruhiges Wohngebiet, klassische nordamerikanische Reihenhäuser, Menschen sitzen auf den Balkonen. Das Café selbst liegt im portugiesischen Viertel und ist bei inzwischen 32 dampfigen Grad eine angenehme Zuflucht. Kilian und Louisa streicheln sich fest, den Tierheimtieren scheint es dort auch wirklich gut zu gehen.
Dann gehen wir den langgezogenen St. Laurent Boulevard zurück. Faszinierende Streetart an den Wänden, viele kleine Restaurants und Läden. Gefällt uns sehr. Eine lange Warteschlange bei Schwartzs Deli, das offensichtlich gerade eine wichtiges Sandwich verkauft. Und erstaunlicherweise die ganze Zeit keine Obdachlosen. Das kommt erst wieder in unserem Viertel, obwohl es zwischen den Uni Gebäuden und der sehr großen sehr neuen Klinik liegt. Eine sehr reife Frau mit vielen Tattoos im geblümten Kleid kreuzt unseren Weg, vermutlich auch nicht ganz auf der Sonnenseite des Lebens. Da kommt ihr ein kanadisches Pärchen entgegen, die junge Frau strahlt sie an: "Ich liebe dein Kleid!" Ach Kanada ....
Ein kleines Päuschen im Hotel. Um 18.30 Uhr ziehen wir wieder los, in einen Foodcourt, den Kilian entdeckt hat. Dort ist viel los, wir kommen mit einem Deutschen am Nachbartisch ins Gespräch, der vor 20 Jahren der Liebe wegen ausgewandert ist. Die Liebe ging, er blieb. Abendessen ist Hummer (Nicole), Gyros (Gerald) und Burger, alles lecker. Wir erkunden weiter die Stadt. Direkt nebeneinander sind coole Hochhäuser in blitzsauberen Straßen, alte hoheitliche Gebäude, die auch in London oder Paris stehen könnten. Ein Insta-Tipp zu einem Brunnen mit Feuershow war offensichtlich leider mit Verfallsdatum versehen. Aber die Familie trägt solche Stopps mit viel Humor und erinnert sich lachend an die vielen Geheimtipps, zu denen sie schon geführt wurde und die dann leider doch geschlossen waren (ganz Rom im August, zum Beispiel).
Auf dem Rückweg zum Hotel spricht uns ein kanadisches Ehepaar an: Geht Mal nicht geradeaus weiter, da ist gerade was Schräges im Gange. Wir schauen nach vorne, sehen am Ende der Straße eine größere Ansammlung, danken und biegen ab. Danach geht es noch zur Bühne in unserer Straße. Interessanterweise sind die Veranstaltungen im Vergleich zu den Hochsicherheitsevents in Deutschland eher sanft gesichert. Dezente Einfahrtsperren und ein, zwei zurückhaltende Securities, die so gar nicht breitschultrig auftreten. Die Band rockt, die Eltern sind begeistert, die Teenager können sich kaum noch auf den Beinen halten. Und so verpassen wir - wenig überraschend - den großen Feuerwerkswettbewerb, bei dem heute Japan antritt. Aber nochmal 20 Minuten Fußweg um dann 4 Uhr deutscher Zeit ... Das wäre nicht gegangen. In der Ferne hören wir das Feuerwerk und schlafen um 22 Uhr tief und fest.
Montag, 7. Juli 2025
Eine weitere erholsame Nacht mit viel Schlaf. Um 8.30 Uhr sind wir um die Ecke im Café Ginkgo zum Frühstück, das Café gehört zur Wirtschaftsfakultät der Universität und hat eine umfangreiche Karte. Und so biegt sich auch der Frühstückstisch, schließlich wollen wir viel probieren. Croissant, Avocadotoast, Pancakes mit drei Toppings und ... Poutine, das Nationalgericht. Frittierte Kartoffeln mit Soße und Käse.
Zurück im Hotel ein kritischer Blick auf die Wetterapp: Es soll demnächst schütten. Also keine Ein-Stunden-Wanderung zum Mont Royal, sondern eine kurze Fahrt mit dem Uber zum Aussichtspunkt Kondiaronk. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Aussichtspunkt selbst bewundern wir eine Eule (vielleicht ein Steinkauz), die auf einem Ast sitzt. Danach blicken wir auf eine Stadt im Dunst, die Spitzen der Hochhäuser sind in den Wolken. Der Mont Royal selbst bietet viel sattes Grün und hätte noch Wanderwege, einen See usw - aber leider nicht heute. Wir laufen über viele Stufen hinunter in die Stadt. Vorbei am großen, alten Campus der McGill-Universität, zum McCord Stewart Museum. Das bietet Historisches, Straßenfotografie und Ballkleider eines Großereignisses von 1880, aber vor allem eine kleine, feine Abteilung zur Geschichte der First Nations. Beziehungsweise: Der Lebensweise der Menschen hier, die von den Kolonialisten zerstört wurde. Geraubte Kinder, getötete Frauen, verbotene Rituale - kein leichter Stoff, aber sehr gut aufbereitet.
Draußen schüttet es, der Regen schlägt Blasen auf der Straße. Wir bleiben im Museumscafé und stellen fest, dass der Kuchen "Death by chocolat" selbst von vier Essern kaum zu packen ist... Ja, es gibt tatsächlich ein Zuviel an Schokolade! Also es nur noch nieselt steuern wir ein Einkaufszentrum an: Das Shoppingversprechen an die Tochter wird eingelöst. Es geht in den Sephora, zusammengefasst Schminke und Düfte. Danach kurze Beratung an der Rolltreppe: Die Basilika schließt schon um 16 Uhr und ist einen strammen Fußweg von 30 Minuten entfernt. Wir ziehen los, obwohl es regnet. Praktischerweise hat Montreal viele Wege unter der Erde, um so den harten Wintern zu entkommen. Allerdings sind die eher für Eingeweihte - Beschilderung ist quasi nicht. Und so kommen wir doch etwas feucht an der Kirche an und staunen über den Eintrittspreis von 25 Euro. Aber kaum sind wir in der Notre Dame von Montreal halten wir den Atem an: eine der schönsten Kirchen, die wir je betreten haben! Neogotisch, blaue Wände, verzierte Balken, aber überhaupt nicht überladen - wir sitzen und staunen. Bis wir um 16 Uhr wieder in den Regen müssen.
Es gilt noch ein Versprechen einzulösen, also wieder stramme 30 Minuten zurück. Wir versuchen es erneut unter der Erde, auch unter der Universität, dem Personal ist es eine Freude, uns auf französisch zu helfen - und wir verlaufen uns heillos im Labyrinth unter den Hörsälen. Nach ein paar Extra-Kilometern sind wir zurück im Einkaufszentrum, es geht erstmal in den Time Out Market. Diesen haben wir in Lissabon kennengelernt und uns sehr in die verschiedenen Küchen verliebt. Das Konzept ist in Montreal ebenso fein und es gibt Vietnamesische Sandwiches, Nudeln mit Hummerfüllung, Huhn mit Gemüse.
So gestärkt ziehen Mutter und Tochter zum Shoppen bei Brandy Melville, Vater und Sohn sichten den Apple Store. Mit einer Einkaufstasche voller Klamotten treffen wir uns auf der Straße wieder und beraten. Kilian hat inzwischen festgestellt, dass wir nur 2,2 Kilometer geradeaus gehen müssen, um fast direkt am Hotel anzukommen. Und so laufen wir, alle schon recht ermattet, wieder zurück. Die 48 Stunden in Montreal fühlen sich inzwischen wir eine Woche an und der Jetlag ist noch nicht überstanden. Noch ein kleiner Stopp im Foodcourt für zwei kleine Bier und zwei kleine Pita- und ab ins Zimmer. Kilians Uhr meldet knapp 20 Kilometer Fußweg.
Dienstag, 8. Juli 2025
Der Jetlag ist fast überwunden. Frühstück noch einmal im Café Lulu, der Inhaber strahlt, als er uns sieht. Danach noch eine kleine Runde durch die Altstadt, die noch im Schlummer liegt. Als wir unser Gepäck in den Uber, Modell 3, packen wollen, stellen wir fest - geht nicht. Der Fahrer, Franko-Kanadier, schon reifer, steht wenig hilfreich nebendran. Schließlich landet ein Koffer auf dem Schoß von Kilian und Louisa und ab geht es zum Flughafen. Denn nur dort kann man in Kanada die Mietwagen holen und abgeben.
Für die nächsten Wochen sind wir in einem Chrysler Pacific S unterwegs. Fahrer und Fahrzeug fremdeln zunächst etwas, aber das bessert sich im Lauf des Tages. Es geht lange auf vielspurigen Straßen durch Montreal, dann zuckeln wir auf einer Landstraße am St. Lorenz-Strom. Schon besser. Wir staunen über die sehr unterschiedlichen Häuser, die - anders als die Vegetation, die ja sehr vertraut ist - doch anders aussehen, als in Europa.
Einkehr ist bei Iris du Fleuve, einem sehr gut besuchten Imbiss mit viel günstig-heiß-fettig am Straßenrand. Pinke Sitzbänke, eine Terrasse auf dem Dach, dazu passende Musik aus dem Radio. Großartig. Wir sind jetzt schon so froh, dass wir noch andere Seiten von Kanada sehen.
Weiter geht es, Stopp auf Hälfte der Strecke nach Quebec in Trois Riviers. Die ausgeschilderte Altstadt sucht man, wie auch stets in Australien, eher vergeblich. Ein paar alte Häuser, eine große Fußgängerzone mit Gastronomie an jeder Ecke. Eine geschlossene Kirche und ein Park voller Obdachloser. Wir gehen in einen kleinen Blumenladen, der auch Kaffee anbietet, ein sehr sympathischer Ort. Ein paar Menschen arbeiten am Laptop. Es gibt leckere, überdimensionierte Croissants und Karottenkuchen. Danach noch ein Abstecher zu Starbucks für überteuerte Kaltgetränken für die Rückbank - und wir ziehen weiter.
Unsere Unterkunft, Wyndam Travellodge, bietet ein großes sauberes Zimmer mit zwei Doppelbetten und eine krachlaute Klimanlage. Und sie liegt 20 Minuten außerhalb des Zentrums, weil es irgendwie kaum bezahlbares in der Innenstadt gab. Als wir am Abend Richtung (echter) Altstadt fahren wollen, lernen wir auch warum. Dabei ist der erste Eindruck von Quebec schon großartig: Sehr sehr grün, sehr gepflegt, schöne Häuser. Und ist es nicht cool, dass sie einen Teil der Straße für Radler und Fußgänger abgesperrt haben? Ist es nicht erstaunlich, wie viel Personal den Verkehr regelt? Und wie viele Menschen ... Wir werden stutzig. Eine Googlesuche verrät uns: Sommerfestival. Konzerte. Und Tausende strömen in die Innenstadt. Da ist nichts mit kurz parken und bummeln.
Wir entscheiden uns schnell um: Nightwalk beim First Nation Museum, eine Kunstinstallation im nächtlichen Wald. Abendessen vorher bei einem Pizza-Takeaway, zwei monstergroße amerikanische Pizzen zum Preis von einer. Danach tauchen wir um 21.20 Uhr ein in sehr stimmungsvolle Licht- und Klanginstallationen im Wald, die das Leben des Volks der Huron-Wendat schildern. Die Schnaken stechen zwar, die Stiche jucken dann aber weniger als befürchtet. Gegen 23 Uhr sind wir sehr erfüllt im Hotel.
Mittwoch, 9. Juli 2025
Auch ohne dröhnende Klimaanlage ist die Nacht mäßig. Frühstück gäbe es im Hotel für 24 Dollar pro Person - Buffet hin, Buffet her, das ist uns zu teuer. Wir fahren (ja, wir sind jetzt in Nordamerika...) zu Second Cup, einer Cafeteria-Kette, und zahlen dort nur die Hälfte (ohne Buffet). Gegen 10.30 Uhr sind wir unterwegs nach Quebec und finden tatsächlich mitten in der Stadt mit dem Rathausparkhaus einen bezahlbaren Parkplatz.
Quebec selbst ist unglaublich französisch. Für diesen Tag fühlen wir uns, als wären wir in der Normandie oder der Bretagne und das auch noch bei strahlendstem Sonnenschein. Architektur, historische Ladenschilder, Straßenmusiker, Straßenkünstler, natürlich für die Touristen alles blitzeblank herausgeputzt - Wow. Im ikonischen Hotel Chateau Frontenac dürfen vor 14 Uhr auch Normalsterbliche einen Blick riskieren. Sehr fein, auch Bar und Restaurant. In den Fluren begegnen uns Führungen geleitet von Menschen in historischen Kostümen. Wobei auch die Kleidung der Angestellten wie eine Verkleidung wirkt. Wir lassen uns durch die Straßen treiben, besichtigen beide Kirchen, schlendern durch eine Gasse mit Künstlern und vorbei an kleinen Ständen im Kirchgarten.
Louisa wünscht sich Nudeln mit Bolognese und wir landen im Portofino. Überdachte kleine Terrasse mit Blick auf die Straße, feine kleine italienische Speisen, dazu ein Glas Wein, perfekt. Danach etwas Shopping mit Canada-Shirts und weiter durch die Stadt. Entlang der Zitadelle haben wir nur das Problem, dass uns langsam das Wasser ausgeht. Wir verweilen im Schatten, dann geht es zu Fuß in die Unterstadt. Dort tritt jeden Mittwoch eine französische Senioren-Sangesgruppe auf, was so unfassbar zum Ambiente passt. Wir erstehen übersüßtes Karamellpopcorn und sind uns sicher, dass auch die anderen Touristen niemals eine Packung leer essen können. Mit der kleinen Zahnradbahn Funiculaire zuckeln wir wieder hoch zu den Terrassen rund um das Hotel. Und dann sind wir erstmal platt. Um 18.30 Uhr fahren wir zum Hotel, uns kommen schon wieder die Massen entgegen.
Am Abend geht es zu einer kleinen Siedlung am Fluss in das Restaurant Quai 1635, ein zufälliger Glückstreffer. Wir fahren durch Wohngebiete, in die man sofort einziehen möchte. Menschen joggen, Frauen gehen alleine spazieren, das sieht alles sehr gut aus. Über den Strom spannt sich sehr fotogen eine rostige Eisenbahnbrücke, hinter der auch noch die Sonne untergeht. Hach. Montreal und Quebec sind als zwei Nachbarstädte naturgemäß Konkurrenten und wir müssen sagen .... Quebec liegt etwas vorn.
Donnerstag, 10. Juli 2025
Duschen, packen, im Hotel Wyndham Travellodge auschecken, zum Frühstück wieder ins Second Cup. Danach statten wir noch der First Nation einen Besuch ab, im Huron Wendat Museum. Dieses ist in einem architektonisch ausgesprochen attraktiven Komplex untergebracht, in dem es auch Hotel und Restaurant gibt. Das Museum selbst besteht aus einem großen Raum, vielen Exponaten, einem dicken Audioguide und ist leider stark heruntergekühlt. Insgesamt bekommt man den Eindruck, dass die Wendat trotz aller Widrigkeiten ein sehr umtriebiges Volk waren und sind. Derzeit gibt es noch zirka 5000, davon leben 2500 in Wendake, dem Stammesgebiet im Norden von Quebec.
Als wir zum Auto gehen, nieselt es schon. Im strömenden Regen kommen wir am Parkplatz des Montmorency Wasserfalls an. Eine große Touristenattraktion, die dank des Wetters aber relativ leer ist. Eintritt kostet insgesamt 18 Euro, da wir ja keine Gondelbahn fahren wollen. Dafür sind auf mehreren Wegen am Wasserfall entlang unterwegs, auf einer Hängebrücke darüber und das ist beeindruckend genug. Vor allem, als ein junger Mann hinausklettern muss, um die Zipline zu reparieren. Der Montmorency Wasserfall ist übrigens 30 Meter höher als die Niagara-Fälle und darauf ist man hier mächtig stolz. Und als wir unterwegs sind, regnet es übrigens kaum noch und es ist trotzdem noch angenehm leer.
Es folgt der erste Großeinkauf im Walmart und noch ein Stopp im McDonalds. Wir sitzen neben einem betagten Herren, der uns erst andächtig zuhört und dann trotz offensichtlicher Parkinson-Probleme einen Stapel Servietten holt und uns gibt, weil wir doch welche brauchen. Vor Rührung fallen wir fast von der Bank und verabschieden uns kurz darauf herzlich.
Danach geht es eineinhalb Stunden gen Osten, zu unserer ersten Ferienwohnung. Ganz viel Nadelwald, der Lorenzstrom ist inzwischen ein dicker Meeresarm. Und dann stehen wir in unserem wunderschönen Häuschen und freuen uns über so viel Platz. Nicole und Louisa glauben bei einem Bummel ums Haus einen Bären brummen zu hören (war ja klar ...), aber der Vermieter beruhigt: Er hat in den vergangenen 16 Jahren hier noch keinen gesichtet ...
Abends noch ein kleiner Abstecher in den Nachbarort für letzte Einkäufe. Danach genießen wir Tortellino mit Butter und Knoblauch und das Häuschen, in dem wir bis Montag bleiben werden.