Es heißt Abschied nehmen von Aham. Die Lauf-Familie fährt schon um 6. 30 Uhr gen Nürnberg zu einem Parkrun. Wir übergeben um 7. 45 Uhr unser göttliches Häuschen an Gerd. Eine ungewohnte Uhrzeit für uns, aber… Gerade das wunderschönste Schlafzimmer mit Blick auf den Apfelbaum hatte riesengroße Fenster, aber keinen Vorhang. Also knallige Sonne gegen 6 Uhr, was für die innere Energie bestimmt ganz großartig ist. Aber man ist da dann auch sehr schnell sehr wach. Falls dafür nicht vorher die Schnaken gesorgt haben, die offensichtlich in großer Anzahl in einem für die Energie bestimmt auch ganz wichtigen Tümpel nisten. Die Schnakenplage in Speyer ist nix dagegen. Petrik führt innerhalb der Reisegruppe mit Stichen und hat mindestens 45 gezählt…
Kurz vor 8 Uhr rollen wir los, nach einer extrem wohltuenden Woche Niederbayern. Sehr entschleunigt, ausgesprochen nette Menschen (auch wenn man sie nicht immer versteht) und viel weniger chi-chi und Trubel als in Oberbayern. Vorher ging es noch einmal kurz zu den Kühen und den Hühnern.
Doch was hilft der frühe Start, wenn Google Maps uns wieder über kleinste Feldwege und an jedem Misthaufen vorbei führt? Die Anreise über Salzburg und Villach soll auf einmal statt 6. 30 ganze 10 Stunden dauern… Ferien in Bayern, Bettenwechsel usw. Bevor die Grundsatzdebatte über Anreisen am Samstag am Steuer zu viel Fahrt auf nimmt, überfällt die Reiseleitung in Egglkofen noch schnell einen Bäcker und kauft mehrere Tüten Backwaren. Croissants und Kaffee können für das Seelenheil bekanntlich geradezu Wunder bewirken.
Wir zuckeln über einen sehr kleinen Grenzübergang am Inn nach Österreich, wollen schon fast nach Graz und schwenken dann doch Richtung Salzburg um. Der Verkehr ist dicht, Austria glüht bei 33 Grad. Zum Glück legen wir noch eine Rast bei einem Maisfeld nach Salzburg ein, bevor wir auf die Autobahn gehen. Denn wir sind als “Transit” unterwegs, abfahren ohne eine “Ziel” in Österreich streng verboten. Wäre ein Eis im Dorf ein Ziel? Oder eine Schlossbesichtigung? Wir wissen es nicht, wollen es aber auch nicht mit den Menschen in schnittiger Uniform diskutieren, die tatsächlich die Abfahrten blockieren.
Die Verkehrsmeldungen sind schon fast von seelsorgerischer Qualität, man versucht ganz behutsam zu vermitteln, dass es sich an den Grenzen bis zu vier Stunden staut. Bei uns kommt die Nachricht an: Um 14. 20 Uhr sind wir endlich kurz vor Villach (Zur Erinnerung: Abfahrt war um kurz vor 8 Uhr… ) und entscheiden uns sehr kurzfristig, über Italien zu fahren. Hektisches googeln, was die Einreisebestimmungen angeht - aber wir rollen einfach über die Grenze. Bald kommen wir an Tarvis vorbei, die Reiseleitung plant einen kleinen Stopp. Nein, wir setzen uns nicht in eine Pizzeria, denn danach wäre das Kohlenhydratkoma gewiss und der richtig spannende Teil der Fahrt kommt ja erst noch. Aber es gibt die diese Schlucht… Die Kinder können es nicht fassen. Über 30 Grad, unterwegs zum nächsten Ziel - und jetzt mal kurz wandern?
Ja, wir haben Zeitdruck. Ja, Louisa hat als einzige zufällig nicht das passende Schuhwerk an. Aber wir legen den Weg in 45 Minuten statt eineinhalb Stunden zurücḱ, eine traumhafte Runde durch die Slizza-Schlucht. Der Wanderweg führt über eine 1874 erbaute Steiganlage über viele Treppen und Waldwege, befestigte Steige und am türkisfarbenen Wasser durch die Schlucht. Der Steig endet hinter der alten Eisenbahnbrücke der ehemaligen Kronprinz-Rudolfs-Bahn. Wir sind dann zwar komplett durchgeschwitzt, aber die Staus sind jetzt weit weit weg.
Bei 37 Grad queren wir Italien, hinter Triest kaufen wir das Pickerl für Slowenien - und rollen nach 18 Uhr über eine leere Grenze. Auch als wir kurz danach über die Grenze nach Kroatien rollen, ist vom Superstau keine Spur mehr. Nach 12 Stunden Fahrt, die Sonne geht gerade unter, sind wir am Apartment.
Alle sind verpappt und müde. Wir gehen um die Ecke in die Konoba Barka, betrieben von einer Schwäbin und ihrem bosnischen Mann. Die Kinder erleben zum ersten Mal, was Hauptsaison bedeutet: Wir stehen für einen Tisch an, das - durchaus schmackhafte, wenn auch nicht weltbeste - Essen braucht Stunden. Es ist die Hölle los. Einen größeren Kontrast zu Niederbayern hätten wir kaum finden können. Und fallen alle vier sehr sehr müde ins Bett. In abgedunkelten, klimatisierten Räume, fast schnakenfrei. Was für ein Luxus…
Vor dem Frühstück erstmal eine Runde in den Pool. Nach dem Frühstück plaudern mit Vermieterin Katja, die zum einen ein Reisebüro in Berlin betreibt und zum anderen den größten Teil des Jahres mit ihrem kroatischen Mann in Istrien lebt und sich um die fünf Apartments kümmert.
Kroatien hatte 2019 einen Rekordsommer erlebt, 2020 waren die Touristenzahlen eingebrochen (und wir fanden es so schön leer… ), 2021 sieht es nach einen weiteren Rekordjahr aus. Denen alle die, die nach Spanien, Frankreich oder sonstwo wollten, fahren jetzt kurzfristig nach Kroatien. Wir ja auch, was wir aber überhaupt nicht bereuen. Denn bei Tageslicht besehen tummeln sich die Massen nicht in Banjole, sondern in deutlich größeren Orten.
Beim Einkauf im kleinen Konzum um die Ecke treffen wir sie allerdings alle. Die schlecht tätowierten Jungs aus Deutschland, die Optik mit Lautstärke wettmachen wollen. Die Reisegruppe junger Frauen aus dem hohen Norden, die über ihren sehr sehr knappen Bikini nur ein sehr sehr durchsichtiges Netzhemdchen geworfen haben und nun schlechten Wein in großen Gebinden shoppen.
Das Thermometer steigt auf über 36 Grad, die Klimaanlage brummt. Erst mal akklimatisieren, auch wenn die Reiseleitung schon hibbelig wird und deshalb erstmal anfängt, selbst Antipasti zu kreieren. Am Nachmittag eine Runde Pool.
Dann sind Katja und ihr Mann wieder da, um weitere Neuankömmlinge zu begrüßen. Es gibt selbst angebauten Wein, Holundersirup. Katja ist während des Lockdown zur Imkerin geworden, dank ausschwärmender Bienenköniginnen nennt sie statt drei Völkern inzwischen acht ihr eigen. Und Olivenöl produzieren die beiden auch selbst. Langeweile kennen sie vermutlich nur vom Hörensagen. Der Wein mündet, Louisa ist im Glück und geht mit ihrer neuen Bekanntschaft aus Nürnberg tauchen. Endlich noch ein Mädchen!
Dann bricht hektische Betriebsamkeit aus: Wir wollten doch den Sonnenuntergang sehen, als Tipp dafür gilt die Bunker Bar. Der Weg dahin ist nicht wirklich weit, eine Dreiviertelstunde durch kleinste Waldwege, dann an einem schönen Campingplatz unter Pinien vorbei. Entlang Olivenhainen und Feldern, wir sehen die Rückzugsorte von Kroaten in selbstgezimmerten Hütten um Wohnwagen etwas abseits der Küste. Sehr gemütlich, außer uns ist kaum jemand zu Fuß unterwegs. Das kann daran liegen, dass es weiter über 30 Grad hat.
Die Bunker Bar ist an der Küste, rund um einen alten Bunker und wächst gerade auf die Felsen. Ein sehr guter und ziemlich cooler Ort, um einen sehr spektakulären Sonnenuntergang zu beobachten, ein kühles Getränk zu nehmen und Cevapcici und Hamburger zu essen. Im Mondlicht laufen wir über einen Weg durch den Pinienwald zu einer anderen kleinen Bucht, offensichtlich ein gut gepflegter Weg mit vielen Papierkörben. In der Bucht singt und spielt eine Band ganz passabel die größten Hits der Achtziger, von weitem sehen wir viele Menschen tanzen. Dann gehen wir durch viele kleinen Straße und Wohngebiet zurück. Sehr entspannt, nur wenige einzelne Menschen sind unterwegs. Die Massen gibt es, aber zum Glück woanders.
Das Kap Kamenjak ist die Halbinsel, die ganz im Süden von Istrien in das Meer ragt. Ein Naturschutzgebiet, mit dem Geheimtipp Safari-Bar im alleruntersten Eck. Wir fahren extra am Montag hin, denn da ist bestimmt nicht so viel los, wie am Wochenende.
Nunja, was soll man sagen… Nach knapp 20 Minuten Fahrt stellen wir fest: Es sind nicht nur alle wieder da, es sind noch ein paar hundert oder tausend dazu gekommen. Eine Autokolonne schiebt sich über die kreideweiße Piste gen Süden. Vom Staub sind die Sträucher am Rand komplett eingenebelt, Photosynthese ist wohl kaum noch möglich. Am Eingang zahlen wir 80 Kuna und bekommen eine eigene Mülltüte in die Hand gedrückt. Verlassen Sie den Park, wie Sie ihn vorgefunden haben, und so weiter. Danach gehen uns die Augen über, was in der Hauptsaison so möglich ist.
Aber was tun? Direkt umdrehen und den Eintritt als Spende betrachten? Oder den Wahnsinn mal von Nahem betrachten? Natürlich Letzteres. Wir fahren ganz in den Süden, stellen unterwegs fest, dass die Parkplätze, die Richtung der Buchten gehen, schon ziemlich dicht sind. An der Safari-Bar dann ein Großparkplatz wie vor einem Einkaufszentrum in einer Großstadt. Viele deutsche Fahrzeuge, vermutlich hätten wir die sonst alle an der Costa Brava getroffen.
Die Safari-Bar ist grundsätzlich ein zauberhafter Ort, viele lauschige schattige Plätzchen im Grün, kreative Spielgeräte für die Kleinen und Größen - aber es ist einfach zu viel los. Wir werfen einen staunenden Blick auf die Massen, die ohne jeden Schatten auf den Steinen ihr Handtuch auslegen. Die Reiseleitung erklimmt noch kurz einen wackeligen Aussichtsturm und schafft es sogar halbwegs elegant wieder nach unten. Die anderen drei stehen unten und wundern sich, was die Mama gerade wieder hat…
Der Teenager hat offensichtlich einen Hormonschub. Statt wie sonst im tiefen Bass vor sich hinzubrummen, erklärt er in epischer Breite und Tiefe, dass es ihm hier zu voll ist, dass er Menschenansammlungen nicht mag und dass das hier alles gerade überhaupt nicht geht. Südliche Ländern nie mehr in der vollen Hauptsaison und wann gibt es eigentlich endlich wieder was zu essen? Immerhin wird aus ihm wohl kein Ballermann-Tourist werden, zumindest Stand heute.
Die Kinder jammern und klagen, sie wollen in den Pool und zum Wlan. Die Eltern beschließen: Wir suchen einen Parkplatz und eine Bucht - und wir finden auch beides. Dort sind wir zwar bestimmt nicht alleine, aber haben ein schattiges Plätzchen für uns. Als Mittagessen gibt es Börek, das die Reiseleitung am Morgen noch bei einem Bäckerstand erbeutet hat. Louisa schnorchelt glücklich mehrere Stunden durch, Kilian schwimmt weiter raus, sichtet einen Fischschwarm und ist wieder sonnig gelaunt. Nicole kommt sogar zum Lesen. Das Wasser ist warm, glasklar, es ist eine Wonne.
Einfach so können wir uns natürlich nicht auf den Rückweg machen, es gibt kurz nach dem Eingang noch ein paar Dinosaurier -Fußabdrücke zu bewundern. Ja, es hat über 30 Grad, aber wo wir doch schonmal hier sind, gehen wir den Dino-Lehrpfad, sind ja nur 1, 5 Kilometer. Dank der grandiosen Beschilderung wird es etwas länger, uns rinnt der Schweiß in Strömen. Aber auf dem Irrweg taucht eine Bar im Pinienwald auf - kühle Getränke für alle! Und ja, es gibt dazu auch noch ein Eis.
Wenig überraschend sind die Fußabdrücke zwar klar erkennbar, aber trotz des Wissens um ihr Alter nicht ganz spektakulär. Vielleicht könnte man an der Präsentation noch etwas feilen. Gegen 17 Uhr sind wir wieder am Apartment - und wollen erstmal nur noch duschen. Es bleibt uns ein Rätsel, warum es keine Zufahrtsbeschränkung gibt. Denn das hat mit Naturschutzgebiet nichts mehr zu tun.
Dieser Tag läuft nicht ganz rund. Erst wollen wir, also die Reiseleitung, nach Pula und zwar noch rechtzeitig zum Fischmarkt. Denn was gibt es besseres, als früh am Morgen den frischen Fang zu schnuppern? Die Reisegruppe weist darauf hin, dass sie seit Jahren auf jeden Fischmarkt muss…Und dass es in der Familie nur die eine Person gibt, die begeistert Fisch isst. Die wiederum denkt sich: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Aber als wir nach Pula rollen, stellen wir fest, dass alle wieder da sind, im Stau vor und hinter uns. Für die wenigen Kilometer gibt Google Maps - hier entwickelt sich gerade eine Hassliebe - ganze 20 Minuten an, weil die Hauptachse schlicht dicht ist. Die Parkplätze sind knallvoll und besonders optimistische Zeitgenossen stellen sich schonmal mitten in die Durchfahrt und warten auf Ausparker. Wir entscheiden schnell, dass das heute nicht der Tag für Pula ist und steuern Medulin an, halten dort am ersten kostenfreien Parkplatz und bummeln rein. Stau-Spotting, denn irgendwie rollt weiter drinnen auch die Blachkarawane.
Medulin ist DER Touristenhotspot in Südistrien, was auch an den 70 Kilometern Küstenlinie liegt. Gerade ist das Örtchen aber sehr beschaulich, wenige Fußgänger sind unterwegs. Klar, die sitzen ja auch alle im Auto. Wir suchen einen alten Ortskern und stellen fest, dass es ihn nicht wirklich gibt. Es gibt die Kirche St. Agnes, auffällig, aber geschlossen. Und es gibt an einem kleinen, verwaisten Platz, die Kirche Maria Della Salute mit einem wunderschönen Kreuzgang aus Keramiktellern. Sagenhaft. Findet die Reiseleitung. Der Rest hat mal wieder nur Hunger.
Zum Glück gibt es die Café Bar Central direkt gegenüber der Kirche, die offensichtlich auch von Einheimischen (ja, die gibt es!) besucht wird. Betrieben wird sie von einem freundlichen muslimischen Paar, das sehr gut Deutsch spricht, von den Touristen gelernt, sagen sie. Wir futtern uns durch die orientalischen Süßwaren, die Eltern trinken - aus Gründen, die sich danach nicht mehr rekonstruieren lassen - jeweils gleich zwei starke Kaffee.
Danach steuern wir die Strandpromenade an. Das übliche gesichtslose Sammelsurium an Läden und Restaurants, man kann nichts ansehen, ohne gleich angesprochen zu werden. Ach, Banjole ist schon ein ruhiges Örtchen. Und an einer kleinen Treppenstufe macht Frau Tauer das, was sie gerne tut: Eine Stufe übersehen, umknicken und mit einem sehr fiesen Schmerz im Knöchel auf dem Boden landen. Gerald und Kilian schauen sehr erschrocken, offensichtlich hat es laut geknallt, was ja immer auf einen Sehnenriss hindeutet.
Vater und Sohn holen das Auto, die Reiseleitung lehnt sich an eine alte Mühle und beruhigt die aufgeregte Tochter. Schnell ist klar, dass der Fuß geröntgt werden muss. Die Suchmaschine findet zwar zwei deutsche Ärzte in Pula. Doch die gehen erst nach endlosem Klingeln ran und erklären mit brüchiger Stimme, dass sie im Ruhestand sind. Also ab ins Krankenhaus.
Kilian kommt als Begleitung mit und leistet in den nächsten Stunden den ersten Teil eines Freiwilligen Sozialen Jahres ab, das ja vielleicht irgendwann mal ansteht. Macht er sehr sehr gut, ganz ruhig und souverän. Bevor man den Warteraum betreten darf, wird man erstmal in Sachen Corona gegrillt - hatte man Begegnungen, war man erkrankt etcet… In Speyer marschiert man übrigens einfach rein. Warten. Erste Einschätzung in einem kleinen Räumchen. Puls rast, dank Koffeinflash. Warten. Warten. Warten. Kurzes Arzt Gespräch, der ein Rezept zum Röntgen ausstellt. Mit dem Rollstuhl vom Sohn in den Keller chauffiert werden. Warten. Röntgen. Noch eine Stunde warten.
Im Saal ist jeder Platz besetzt. Aber niemand beschwert sich. Denn es werden auch alle Liegendtransporte, die mit dem Krankenwagen eingeliefert werden, an den Stühlen vorbei geschoben… Später erfahren wir, dass das die Notaufnahme für ganz Istrien ist. Aber wir haben auch so genug Respekt und ganz ehrlich, nach den meisten Anblicken tut einem so ein Knöchel echt nicht mehr weh. (Mutter: Oh, das sieht aber nicht gut aus. Sohn: Nein, das sieht gar nicht gut aus….) Das Personal arbeitet souverän und trotz allem gut gelaunt ab. Nur beim Warten vor dem Röntgen erschrecken wir: Eine ältere Dame, die mit Beatmung, etc im Liegen eingeliefert worden war, wackelt zu Fuß sehr elend den Gang lang, unterm Arm die Sauerstoffflasche. Die Reiseleitung gibt. sofort den Rollstuhl weiter (siehe oben: Knöchel ist echt nix) und bekommt ihn von den sehr dankbaren Angehörigen dann wieder gebracht. Irgendwann ruft Kilian: Du schau mal, da ist doch der Typ aus England. Tatsächlich, ein Doppelgänger von Boris Johnson, offensichtlich mit Rückenschmerzen. Dann haben wir noch den Herrn mit der gebrochenen Nase. Die kleinen Jungs, die mit ihren Papas da sind. Das junge Mädel, das die Wartezeit mit Yoga Übungen verbringt… Louisa mit ihrem Faible für leicht Morbides hätte ihre Freude gehabt. Kann ihre Mutter beim Gehen aber noch nicht stützen, deshalb ist sie mit Gerald in Pula unterwegs und hat einen sonnigen Nachmittag mit Pizza, schwimmen im Pool und einen Fotoshooting im leeren Fischmarkt.
Nach dreieinhalb Stunden wagen wir doch eine Nachfrage, die Antwort kommt schnell_ Nix gebrochen, ist alles gut, strahlt die medizinische Fachkraft. Äh, ein Verband vielleicht… (nach coolpacks wagte ich nicht zu fragen, siehe oben, Knöchel ist nix). Ach, was, sie winkt ab. Daheim etwas kühlen. Aber den Urlaub muss man wegen sowas sicher nicht abbrechen. Und wenn ich noch kurz bezahlen könnte… Kurzer Schreck, zumal eine andere Deutsche in der Zahlschlange schon ihre Kreditkartendaten checkt. Aber nein, nur 10 Euro, den Rest übernimmt automatisch die Kasse. Und auf Nachfrage gibt es auch noch die Röntgenbilder auf CD mit meinem Namen und Datum darauf dazu.
In der Apotheke holen wir noch schnell Salben und Verband, dann halten wir an einer Konoba am Straßenrand für ein warmes Abendessen. Beim Apartment wartet schon die weltbeste Vermieterin Katja mit Mann Igor, sie haben gleich zwei Paar Krücken besorgt. Ja, der Knöchel tut sehr weh. Aber ganz ehrlich: Ist echt nix.
Der Knöchel ist inzwischen ein Klumpfuß und will vor allem ruhig und hoch liegen. Das entschleunigt ungemein. Entsprechend verbreitet die Reiseleitung erstmal ausgesprochen gute Laune und ist ausgeglichen wie selten. Dass ein EReader gerade Sommerpause einlegt, macht die Situation nicht besser. Der Rest der Familie hängt ab und chillt. Gegen Nachmittag entspannt sich die Lage am Pool, abends gibt es Nudeln mit Knoblauch auf der Terrasse. Und Diskussionen darüber, wie sinnvoll es überhaupt ist, weiterzureisen. Dabei geht es dem Knöchel wirklich rasant schon viel besser, findet die Reiseleitung. Die drei Mitreisenden sind da allerdings eher skeptisch und reichen die Krücken.
Als hätte sie es geahnt, hatte die Reiseleitung schon zu Beginn der Woche einen Ausflug zu den Brijuni-Inseln gebucht. Den gibt es ausschließlich in Verbindung mit einer Führung in einem kleinen Bähnchen. Die Reiseleitung findet, das geht auch mit dickem Knöchel, die restliche Reisegruppe ist eher skeptisch. Aber gebucht ist nunmal gebucht.
Das Schiff fährt um 11. 30 Uhr in Fasana ab, ein Ort oberhalb von Pula, der eigentlich nur ein paar Kilometer von unserem Standort Banjole entfernt liegt. Aber wir fahren lieber sehr zeitig los, um einen Parkplatz zu finden und noch ausreichend Humpelzeit zum Boot zu haben. Tatsächlich sind wir gerade so pünktlich da. Aber die Warteschlange ist lang, das Boot wird knallvoll. Dabei sind die Besucherzahlen gerade begrenzt und ohne Vorausbuchung geht garnichts.
Unser Ziel ist die größte Insel Veli Brijun, der ehemalige Sommersitz des jugoslawischen Staatsgründers Tito. Dort empfing er Staatsgäste oder Größen wie Sophia Loren und Gina Lollobrigida. Außerdem haben die Römer und andere ihre Spuren hinterlassen, das Wasser ist türkisblau, also ein perfektes Ausflugsziel. Im Hafen stehen blau-weiß gekleidete Damen und halten Schilder mit den einzelnen Sprachen hoch, dahinter steht schon das jeweilige Touribähnchen bereit. Normalerweise genau das, was wir weiträumig zu vermeiden versuchen. Aber für diesen Tag einfach ideal.
Wir zuckeln gemütlich über die Insel und Sonja erläutert mit viel Witz die Historie, Flora und Fauna. Es geht vorbei an Titos Cadillac, den man jetzt angeblich für 700 Euro pro Stunde für einen Ausflug mieten kann. Der Golfplatz wird schon seit über 100 Jahren bespielt. An die 1000 Rehe und Dammwild sorgen freilaufend dafür, dass sich die Macchia nicht ausbreitet und die Bäume alle sauber auf einer Höhe abgefressen sind. Ein gewisser Robert Koch hatte damals dafür gesorgt, dass die Insel malariafrei wurde.
Dann geht es in den Safaripark, natürlich mit der Bahn. Kleiner Stopp bei einer Elefantendame: Sony und Lanka waren damals ein Geschenk von Indira Gandhi an Tito, seit dem Tod von Sony lebt Lanka alleine - aber nicht einsam, wie einem vor Ort versichert wird. Andere Tiere schauen regelmäßig vorbei und die Pfleger seien ihre guten Kumpels. Vertrauen wir mal darauf, dass das stimmt. Die Strauße sind übrigens mit den Eseln befreundet und die Zebras haben ein einsames Alpaka aufgenommen. Ein paar heilige Kühe stehen auch herum.
Die Roundtour beginnt und endet bei der Kirche St. German, neben der sich praktischerweise eine Snackbar befindet, in der alle einkehren. Wir natürlich auch, es ist Zeit für einen Cappuccino und ein Eis. Danach geht es zu Fuß zu einem kleinen Museum, in dem unter anderem die Geschenke an Tito ausgestellt sind. Und zum Beispiel ausgestopfte Giraffen aus dem ehemaligen Inselzoo, die ein Virus dahingerafft hatte.
Danach setzt sich die Reiseleitung mit einem dicken digitalen Schmöker (E-reader Nummer Zwei funktioniert, gottlob) in das Café, während die anderen drei noch mit Sonja in den mediterranen botanischen Garten und den Vogelpark gehen. Ganz ehrlich: Es ist wunderbar. Dank der Zugangsbeschränkung ist die Insel nicht überlaufen (an Corona ist nicht alles schlecht und dieses Buchungsdings könnte man gerne beibehalten). Unter den Pinien ist es schattig, im Hintergrund glitzert das Meer, es rauscht ein deutsch-italienisch-kroatisches Stimmengewirrt.
Die anderen drei treffen während dieser Zeit den Kakadu Koki, der schon mit Tito geplaudert hat, aber leider einen schweigsamen Tag hat. Einen Mammutbaum, der inzwischen mit seinen Wurzeln an das Salzwasser gelangt und daran vielleicht eingeht.
Um 16 Uhr nehem wir das Boot zurück und suchen in Fasana erstmal Essbares - denn der Teenager hatte bislang nur ein Croissant und steht kurz vor dem Hungertod, die kleine Schwester ebenso. Die Salamis und Käsestangen aus dem Rucksack, die doch seit März 2020 immer wieder Proviant bei Lockdown-Ausflügen waren, locken sie irgendwie garnicht mehr. Seltsam.
Danach eine Runde Pool - die Reiseleitung hängt immerhin die Füße rein - und abends zum Essen in die Konoba Sidro. Da dort eine 20-köpfige Gruppe feiert, dauert es wieder lange, schmeckt aber gut. Als Nicole bei der Bedienung nachfragt, ob sie heute nicht arg viel zu tun hätten, strahlt die nur: Yes! Ein richtiger Hochsaison-Tag, super! Darauf ein gutes Trinkgeld.
Die Fresken in der Kirche St. German (Totentanz, nachdem die Pest gewütet hatte), der botanische Garten und noch ein bisschen Fasana.
Wir starten ruhig in den Tag. Drei gehen in den Pool, eine schreibt Blog, zwei trinken Kaffee… Die Reiseleitung leidet an Fischmarkt-Phantomschmerzen, vor allem, nachdem die Nachbarn schon morgens nach Pula stürmen und dann beglückt mit dem Abendessen in der Kühltasche zurückkommen. Doch Gerald und Louisa verweisen darauf, dass die Stadt zu voll war, es keine Parkplätze gibt und die Reiseleitung sowieso nicht voran kommt. (seufz)
Ans Meer wollen wir schon nochmal, aber wohin? In Medulin wurden am Tag zuvorp 32.000 Übernachtungen registriert, hat Katja erzählt (und mit einem Schmunzeln angemerkt: “das sind nur die offiziell angemeldeten… ”), ein neuer Rekordwert. Die anderen Familien in unserer Minianlage sind von den Stränden in Medulin geflohen - nicht nur wegen Corona viel zu eng, zu voll.
Also steuern wir erst Ližnjan an, Wohnort unserer Vermieter, und von dort aus die Bura Bora Bucht, die gen Osten geht und eher von Einheimischen besucht wird. Leer ist es auch da nicht, aber man sitzt lockerer. Tatsächlich überwiegt das kroatische Publikum und die Atmosphäre ist ausgesprochen entspannt. In der Ferne schimmert die Insel Cres.
Natürlich reicht die Bucht lange nicht an das sagenhafte Meer vor Podaca 2020 ran, weshalb der Teenager in der Sonne döst, aber nicht ins Wasser zu bewegen ist. Außerdem hasst er Hüpfburgen, führt er sehr elaboriert aus. Wir wissen inzwischen, was solche emotionalen Momente bedeuten: Die Kohlenhydratzufuhr stockt. Also nicken, lächeln, garnicht erst diskutierten und dafür nach Nahrung suchen, die nicht allzu ungesund ist. (juhu, es gibt einen Crêpesstand) Gerald und Louisa testen das Wasser, das etwas kühler und trüber ist - dafür kann aber die Bucht nichts, sonder der namensgebende Wind Namens Bora, der nicht nur für Sperrungen auf Küstenstraßen sorgt, sondern auch die Wasserverhältnisse durcheinanderwirbelt.
In der Strandbar Sal genießen die Eltern kinderfreie Minuten. Das Preis-Leistungsverhältnis bei den Speisen ist deutlich besser, als in der Touristenzone. Ein schöner Abschluss für Kroatien, für das eine Woche lange nicht reicht - vor allem nicht, wenn man die Hälfte der Zeit fußlahm ist
Abends sitzen erstmal die fünf Urlauberinnen mit Katja beim Rotwein zusammen und plaudern. Gerade stellen wir fest, dass sich zwar vier Jungs im gleichen Alter zur gleichen Zeit hier aufhalten, aber keines Blickes würdigen, im Gegensatz zu Nele und Louisa, die seit der ersten Sekunde unzertrennlich sind. Doch dann passiert das Kommunikationswunder. Kilian springt in den Pool, in dem sich zufällig auch Erik aufhält. Sie reden miteinander! Den restlichen Abend verbringen die Teenager mit lautstarken Sprüngen ins Wasser, Jagd auf kleine Mädels und versteckenspielen. Um 22. 45 Uhr schicken wir sie ins Bett - denn eine große Familie will um 3 Uhr fahren und hat das Apartment im Erdgeschoss.