Wir brechen zügig auf, schließlich steht ein Besuch bei den Hobbits auf dem Programm. Aber zuvor wird noch kurz bei einer deutschen Bäckerei in Waihi eingekauft und die Kinder bekommen endlich wieder einmal Brezeln - oder zumindest ein vergleichbares Salzgebäck.
Matamata, ein etwas größere Stadt, lautet das Zwischenziel. Bei der dortigen i-site wollen wir uns erkundigen, ob es heute noch Touren nach Hobbiton gibt. Denn in das Örtchen gelangt man nur mit einer geführten Tour und die kostet bares Geld. Da wir aber festgestellt haben, dass wir wohl so schnell nicht mehr auf der Nordinsel Neuseelands sein werden, investieren wir die 150 Dollar (75 Dollar x 2 plus 10 Dollar für Kilian, Louisa ist frei). I-sites heißen hier übrigens die Touristeninformationen - ob bei dem Namen die Urheberrechtsfrage mit apple geklärt werden musste? Die i-site in Matamata ist jedenfalls stilecht in einem Hobbithaus untergebracht und wir bekommen für 14.30 Uhr einen Platz in einem Bus.
Noch zwei Stunden Zeit, aber wir steuern schonmal ¨The Shire¨ an - Anfangs- und Endpunkt der Bustouren, Cafè und Souvenirshop. Der Weg dahin wird uns auf einem kleinen ausgedruckten Zettelchen beschrieben und hat etwas von einer Schatzkarte: ¨Fahren Sie rechts an Mc Donalds vorbei. Wenn Sie die Bahnlinie links neben sich haben, geht es lange geradeaus. Dann kommt auf der rechten Seite eine große Gärtnerei etcetc¨.
Nach 20 Minuten Fahrt sind wir also bei ¨The Shire¨, leider eher eine große Wellblechhütte denn stilvolles Cafè und zum großen Bedauern von Louisa gibt es nicht mal einen Spielplatz. Immerhin sind Speis und Trank einigermaßen günstig und die Zeit vergeht schnell. Die Umgebung erinnert an die Toskana im Herbst, verbranntes Gras auf sanften Hügeln. Das ist durchaus hübsch, aber kein saftig grünes Auenland. Busse fahren alle 15 Minuten los, dazu kommen noch die Touristen, die aus den umliegenden Orten nach Hobbiton gekarrt werden. Louisa nutzt natürlich exakt den Moment, in dem unser Bus vorfährt, um ihre Windel zu füllen.
Aber Kilian erkämpft uns heroisch einen Platz in den ersten beiden Reihen und so fahren wir - nur etwa fünf Minuten! Dann begleitet uns unser Tourguide Sam nach draußen und wir stehen vor den Toren Hobbitons. ¨Der Herr der Ringe¨ war an 158 Schauplätzen auf Nord- und Südinsel gedreht worden, die danach wieder in ihren Originalzustand zurückversetzt werden mussten. Auf der Suche nach einer geeigneten Location wurde das Filmteam auch auf Alexanders Schaffarm fündig. Dort gab es einen Teich, einen hohen Baum und Hügel. Und nach den Dreharbeiten wurden fast alle Kulissen wieder abgebaut, weshalb die Touren bis vor drei Jahren eher mäßig spannend waren. Doch dann wurde ¨Der Hobbit¨ gedreht und diesmal wurde festgelegt, dass Hobbiton richtig schön gebaut wird und nach den Dreharbeiten stehen bleiben soll. Gemessen an dem Touristenansturm vermuten wir, dass der Besitzer von Alexanders Schaffarm wohl betrunken in der Ecke liegt und sein Glück nicht fassen kann oder gerade Ländereien in Südfrankreich ersteht - vermutlich beides. Hobbiton ist jedenfalls ein zauberhafter, saftig grüner Flecken Erde. 44 Hobbithöhlen finden sich auf den sanften Hügeln, dazwischen Kleingärten, die von einem Gärtnerteam liebevoll gepflegt werden und in denen gerade Riesenkürbisse und Beeren reifen. So originalgetreu nach Tolkiens Buch, wie nur irgend möglich, betont Sam. Wir gehen immer ein Stückchen, bekommen dann Anekdoten erzählt, haben Zeit zum Fotografieren und gehen dann wieder ein Stückchen weiter. Ein Drittel der Besucher haben übrigens weder das Buch gelesen noch die Filme gesehen, sondern schauen einfach so vorbei - das besagt die Statistik. So ähnlich geht es ja auch Kilian und Louisa, die einzigen Kinder in unserer Truppe, die sich aber recht tapfer schlagen, obwohl die Sonne inzwischen recht gnadenlos vom Himmel brennt. Es geht den Hügel hinauf zur Höhle von Bilbo Beutlin - alle dürfen sich im Eingang mal fotografieren lassen und Sam achtet darauf, dass keiner zu kurz kommt. Anekdote zur Filmszene, in der Bilbo und Gandalf den Sonnenuntergang beobachten: Die Bank vor der Höhle blickt gen Osten. Also musste das Filmteam morgens ganz früh raus, die Szene wurde in 15 Sequenzen unterteilt - und der Sonnenuntergang im Film ist eigentlich ein Sonnenaufgang, der nur rückwärts gezeigt wurde. Anekdote zum Baum über der Höhle: Für den ¨Herr der Ringe¨ wurde extra woanders ein großer Baum augegraben und an dieser Stelle eingepflanzt. Doch der Baum ging ziemlich schnell ein, so dass eine Stahl/Stammkonstruktion herhalten musste, die danach recht schnell entsorgt wurde. Als es dann an die Hobbit-Dreharbeiten ging, fehlte natürlich der große Baum. Dieser wurde dann samt 350.000 Blättern (!!) künstlich erschaffen und ist mit Kosten von 1, 5 Millionen Dollar die teuerste Requisite des Films.
Dann geht es den Hügel wieder hinab, am See und der Mühle vorbei zur Kneipe ¨The Dragon Inn¨ -auch ganz liebevoll gemacht, bis zum Zettel am Türpfosten, auf dem Mitstreiter für ein Pfeifen-Wettrauchen gesucht werden. Dort gibt es für jeden Tourteilnehmer wahlweise ein Stout (dunkles Bier), ein Ale (helles Bier), einen Cider (Äppelwoi) oder ein alkohlfreies Ingwerbier. Die Atmosphäre ist wirklich ganz eigen und ganz verzaubert - eher widerwillig treten alle nach über eineinhalb Stunden wieder den Rückweg von Hobbiton zu ¨The Shire¨ an. 50 Kilometer weiter wartet mit Rotorua die nächste Station auf uns. Die Stadt liegt am gleichnamigen See mittten auf dem Vulkanplateau. Unser Campingplatz liegt einigermaßen nahe an der Innenstadt und lässt uns selbst nach einem Tag in Hobbiton noch staunen: Direkt daneben ist ein qualmender Fluß, der beißend nach Schwefel riecht. Auf dem Weg zum See ist der Erdboden heiß und kleine Matschlöcher blubbern vor sich hin, am Ufer selbst gibt es wieder heißes Wasser direkt unter dem Sand. Schaufeln werden vom Zeltplatz übrigens kostenlos verliehen.
Da inzwischen Windelknappheit herrscht, ist es dringend Zeit für den nächsten Großeinkauf im Supermarkt. Inzwischen haben wir gelernt, dass pak n save das neuseeländische Gegenstück zu Lidl/Aldi/Netto ist und damit um Längen billiger, als zum Beispiel Countdown, oder New World. Pak hat an sieben Tagen in der Woche bis 22 Uhr geöffnet (nur zur Erinnerung: Museen, normale Läden und auch Cafès schließen um 17 Uhr.), ist ein Riesenschuppen mit meterhohen Regalwänden und erstaunlicherweise den identischen Produkten wie die teureren Supermärkte. Heute ist die Hölle los, die Schlangen vor den Kassen sind endlos. Von einer Kassiererin erfahren wir den Grund: Es war Zahltag und alle haben ihr Geld bekommen.
Zurück auf dem Zeltplatz gibt es Mittagessen und einen kleinen Moment des normalen Familienwahnsinns: Eine Lampe hat angezeigt, dass die Glühbirne im vorderen Scheinwerfer nicht mehr will. Also ruft Nicole beim Wohnmobilverleih an und fragt nach, was zu tun ist. Gerald besichtigt derweil die Sanitäranlagen. Just in der Sekunde, in der Nicole die Adresse der Vertragswerkstätte durchbuchstabiert bekommt, rennt Kilian zu ihr: ¨Mama, Mama, der große schwarze Hund ist wieder da und Louisa geht hin¨, dazu im Hintergrund eine helle Mädchenstimme ¨Hundiiiiiiiii. Streicheln!!¨ … der schwarze Streuner stammt aus dem Garten neben dem Zeltplatz und ist zum Glück ein freundlicher Vierbeiner …
Danach laufen wir erstmal in den Stadtpark. Dort gibt es schwefelige Seen, über die Dampfschwaden wehen. Blubbernde Matschlöcher, heiße Quellen - und überall Schilder, dass man doch bitte auf dem Weg bleiben soll. Absolut faszinierend und beeindrucken, schließlich ist direkt daneben die grüne Wiese mit dem Spielplatz. In der Innenstadt finden wir sogar noch ein Cafè, das geöffnet hat und verblüffen die Bedienung mit einem Gespräch über die europäischen Öffnungszeiten von Kneipen.
In den Government Gardens beobachten wir die Herren des Bowling Clubs auf dem gepflegten Grün beim Abendsport. Dann geht es ans Seeufer, an dem eine asiatische Reisegruppe gerade voller Wonne einen Schwarm Möwen füttert und eine Truppe junger Frauen im Freien am Fitnessgerät rudern übt. Zwischen Stadt und Zelplatz liegt eine kleine Maori-Siedlung mit traditionellem Versammlungshaus, großen Platz und vielen Statuen. Aus jedem Kanaldeckel dampft es, in den meisten Gärten auch. Alles sehr spannend. Und natürlich sind wir mal wieder viel zu spät dran.
Zuerst geht es zur Werkstätte, deren Adresse dann doch irgendwie richtig notiert werden konnte. Die Jungs sind superentspannt, nehmen uns gleich dran und verweisen darauf, dass wir doch nebenan bei Mc Donalds warten können. Dort gibt es Kaffee, Himbeerbrot, Spielecke und kostenloses W-Lan - und nach einer halben Stunde kommt uns der Mechaniker mit dem Autoschlüssel in der Hand schon entgegen und wünscht uns eine gute Fahrt. Hm. Liegt das wirklich nur am Wetter oder am Ende der Welt, dass die Menschen hier einfach netter zueinander sind?
Te puia lautet das Ziel, nur ein paar Minuten Fahrt entfernt. Ein großes thermisches Gebiet mit Maori-Kulturzentrum. Wir buchen einfach nur den Besuch, ohne Führung, ohne Vorführung, ohne Abendkonzert, ohne Büffet. Der große Geysir bricht gerade aus, als wir den Park betreten und wir sehen ihn zunächst von weiten. Als wir uns schließlich angenähert haben, erfahren wir, dass der Takt nicht mehr dem im Reiseführer entspricht (zweimal pro Stunde), sondern dass er sich jetzt immer eineinhalb Stunden Pause gönnt.
Wir schlendern also etwas herum, beobachten blubbernde Matschlöcher und treffen eine dänische Familie wieder, die wir schon an der Küste kennengelernt haben. Die Kinder sind 3 und 5 Jahre alt, sie sind sechs Monate unterwegs, davon einen Großteil in Asien (weil es dort billiger ist. Aber das ist auch nicht schwer. Singapur wird uns wie ein Schäppchen vorkommen). Die Wartezeit wird irgendwann zwar lang, aber wir halten durch und werden mit einem Spektakel belohnt (also Kilian und Gerald. Nicole wechselt gerade mal wieder Windeln). Der Geysir schießt über zehn Meter in die Höhe, macht dazu ziemlich Lärm - auch Kilian kann sich nach einer Viertelstunde noch kaum losreißen.
Wir bummeln noch etwas über das Gelände, dann ist kurzer Stopp für das Mittagessen. Direkt nebenan ist ein rekonstruiertes Maori-Dorf, in dem gerade eine Zeremonie beginnt. Dazu versammeln sich die Massen am Zaun, Kilian und Nicole natürlich vorne dabei. Doch irgendwann ziehen dann fast alle mit gezückter Eintrittskarte erst durch das Tor und später in das Versammlungshaus ein. Hm. Aber stand im Reiseführer nicht auch was von kostenlosen Vorführungen? Nicole nimmt mit Kilian und Louisa die Fährte auf und fragt am Eingang des Versammlungshauses bei einem Maori nach. Der lächelt, schaut kurz rein, sieht dass noch Plätze frei sind - und lässt uns dann kostenlos zuschauen. Diesmal sind die Südseeweisen um einiges peppiger und der Haka (Kriegstanz) natürlich wieder großartig. Offensichtlich ist der Tanz noch immer einschüchternd genug: Angesichts der herausgerollten Augen, ausgestreckten Zungen und Kampfschreie fleht Louisa darum, dass wir doch bitte ganz ganz schnell gehen ... -
In zwei Häusern ist noch Maori-Kunsthandwerk zu bewundern. Bei der Schnitzerei ist noch einiges los, fünf Männer sind konzentriert bei der Arbeit und lassen sich dabei beobachten. Bis ein Kollege reinkommt, streng auf die Uhr zeigt und innerhalb von Sekunden der Raum leer ist. 16 Uhr, Feierabend! Nur einer arbeitet unbeeindruckt weiter, wir nehmen an, dass er mit der Spätschicht bis um 17 Uhr dran ist. Zurück in Rotorua dürfen Kilian und Louisa auf einem großen Spielplatz am Seeufer noch schaukeln, schaukeln, schaukeln - und wir schaffen es, noch einen Kafffee zu ergattern, bevor das Cafè am Spielplatz um Punkt 17 Uhr alles dicht macht.
Waschtag. Kilian hat den versehentlichen Schluck Weißwein (er dachte, es wäre Apfelschorle. War aber Chardonnay) vom Vorabend gut überstanden. Er ist danach lauthals singend über den Campingplatz gelaufen, das ist jetzt nicht ganz untypisch. Aber die Aussprache kam uns durchaus etwas verwaschen vor und die Variationen zu ¨Hoch soll er leben¨ waren noch etwas schräger als sonst. Egal wie: Heute ist er schon wieder fidel genug, um Blödsinn mit Waschpuver anzustellen, das heimatlos in der Waschküche rumstand. Zeit für grundlegende Gespräche über Eigentumsverhältnisse und die fatalen Auswirkungen von ¨Dünger-Experimenten¨ auf die umgebende Flora.
Irgendwann gegen Mittag ziehen wir dann trotzdem los. (Die Senioren hatten schon wieder lange vor unserem Frühstück ihre Sachen gepackt und den Platz verlassen. Meistens sind wir gerade beim zweiten Toast, wenn die ersten frühen Vögel schon wieder neu einchecken.) Es gibt in einem Waldgebiet nahe der Innenstadt einen großen Redwod Bestand, also viele kalifornische Sumpfzypressen. Zwar ist es im Wald noch etwas kühler als sowieso schon, aber richtig nett. Ein kurzes Mittagessen-Picknick vor dem Besucherzentrum - die sehr cool designeten Toiletten sind ein deutliches Zeichen dafür, dass man auch an diesem Ende der Welt Steuergelder gerne in Nationalparks vergräbt -, und dann machen wir uns auf einen kleinen Rundweg. Es gibt Baumriesen zu bestaunen, dazwischen Farn, ein paar Vögel zwitschern, keine Zikade dröhnt - fast schon meditativ.
Kontrastprogramm kurz danach ein paar Kilometer weiter am ¨Blue Lake, einem nicht wirklich großen See. Dort brausen sechs Motorboote samt Wasserski-Fahrern im engen Kreis, am Seerand tummeln sich die Zuschauer. Aber: Es gibt einen Spielplatz, viel zu Gucken und mal kurz die Muße im Reiseführer zu schmökern und die Route für die nächsten Tage komplett umzustellen.
Abends geht es auf dem Campingplatz kurz in den Pool und in das Hot spa, Insgesamt gibt es drei Becken mit heißem Quellwassser, wir gehen aber nur in das mit 42 Grad. Kilian entwickelt sich zum Wellnesser uns bleibt bis die Backen glühen. Louisa ist froh, Pool und Dusche überstanden zu haben und steckt nur kurz einen Finger rein (¨Heiߨ).
Züigiger Aufbruch und kurzes Staunen darüber, dass am Supermarkt so wenig los ist. Achso, klar, es ist ja Sonntagvormittag…. Wir fahren Richtung Lake Taupo, der durchaus nett in der Landschaft schimmert, lassen ihn aber rechts der Straße liegen. Denn außer Action-Sportarten ist da nicht viel und nach Bungyspringen ist uns gerade heute nicht.
Der Riesling vom Vorabend dröhnt etwas nach und es gibt im Wohnmobil einen großen Bedarf an Kaffee oder Fluffy - aber da ist nichts zu holen. Wo sich in Italien an einem so idyllischen Seeufer die Cafès wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen würden, gibt es hier garnichts. (Es gibt auf dem Forgotten World Highway sogar auf 155 Kilometern mitten durch besiedeltes Innenland keine Tankstelle und nur zwei Lokale, warnt der Reiseführer )
In Turangi machen wir kurze Rast, denn dort gibt es auch eine Einkehr und Schaukeln. Die Sonne strahlt zwar noch, aber der Wind bläst schon so stark, dass wir uns nicht in den schönen Garten des Mustard Seed Cafès setzen, sondern uns in den Innenraum kuscheln. Danach wird die Landschaft spektakulär, denn wir nähern uns dem Tongariro National Park, dem aktiven Vulkangebirge. Dort residieren der Tongariro (1.967 Meter), der letztmals 1896 ausgebrochen ist und seit einer Weile wieder gemütlich vor sich hin dampft; der Ngauruhoe (2.287 Meter), der 1975 seinen letzten Ausbruch hatte und der Ruapehu (2.797 Meter), der alle paar Jahre mal spukt.
Whakapapa Village liegt am Fuße des Ruapehu, mitten im Nationalpark. Wenn man gerade lange genug mit offenem Mund an den ¨echten¨ Vulkanen vorbeigefahren ist, biegt ein Sträßchen nach links ab und man fährt direkt auf den Ruapehu zu (dessen Spitze sich natürlich in Wolken hüllt). Plötzlich taucht ein riesiges altes Hotel auf: Das Chateau Tongariro, Baujahr 1924, um das sich inzwischen andere Unerkünfte, ein Besucherzentrum und einzwei Kneipen gruppieren. Wir sind zum ersten Mal auf einem der staatlichen DOC-Campingplätze, die meist innerhalb von Nationalparks liegen und extrem wenig Schnickschnack haben. Der Whakapapa Holiday Park hat immerhin warme Duschen, auch wenn das BBQ und das einzige Spielgerät (Trampolin) abgebaut wurden.
Noch strahlt die Sonne, aber die Aussichten für die Nacht sind frostig: Der Wetterdienst meldet -2 Grad!! Wir müssen also dringend nochmal los und tanken, damit wir die Standheizung anwerfen können. Vorher gehen wir noch etwas gemütlich auf einem kleinen Track wandern, der uns durch einen Wald und auf eine Anhöhe führt, super Aussicht auf die anderen beiden Vulkane inklusive. Dort treffen wir auch eine andere deutsche Familie aus Hamburg, die mit ihren beiden Knirpsen ebenfalls die Elternzeit nutzt. Einen gemütlichen Plausch in der Sonne später (¨ wo wart ihr schon, wo geht ihr noch hin?¨), geht es also bergab, schnell zur Tankstelle 15 Kilometer entfernt (bevor die um 19 Uhr schließt) und dann in die große, aber sehr sehr volle Zeltplatzküche zum Abendessen.
Während die Restwürstchen in der Pfanne bruzzeln, hat Nicole genug Zeit, die Aushänge an der Wand zu studieren und stellt fest: Von diesem wunderbar gelegenen Zeltplatz hatte sie schon einmal gelesen und sich damals überlegt, dass sie für eine Nacht an dieser Stelle nie die Nerven hätte … denn der weltwunderer-blog hatte erwähnt, dass hier immer Lahar-Gefahr besteht (das fand die Weltwunderer-Mama auch eher anstrengend). Lahare sind Schlammlawinen, die dann den Berg hinunterwallen können, wenn dem See an der Spitze des Ruapehu mal wieder danach ist. Das ist mit schöner Regelmäßigkeit der Fall, weshalb es ein ausgefeiltes Warnsystem gibt. Das besagt: Wenn die Sirene samt Durchsage ertönt, muss man sich innerhalb von 10 Minuten zu Fuß ans Skotel am anderen Ende des Ortes machen. *schluck*
Fairerweise muss erwähnt werden, dass sich außer Nicole offensichtlich niemand für die Evakuierungsrouten interessiert. Denn fast alle anderen sind wegen der Tongariro Crossing und dem Round the Mountain Track hier - top ausgestattete junge und alte Wanderer aus aller Welt, die gerade Heldengeschichten über ihre Querung austauschen, bzw sich auf sie vorbereiten. Wir plaudern mit finnischen Studenten, die den Aufstieg als Hölle empfanden und nun auf das Südseeinselchen Tonga weiter wollen und leihen unseren Nudeltopf an ein Grüppchen aus Regensburg aus, das dem Weg eher gelassen entgegen sieht.
Das Wetter hält sich - leider - mal wieder an den Bericht. Um 2 Uhr fängt es an zu tröpfeln, um 6 Uhr schüttet es aus Kübeln. Nicole hat zwischendurch mitten in der Nacht einen Notfallrucksack für den Evakuierungsfall gepackt, Gerald hat sich derweil überlegt, weshalb er mit dieser Frau nicht einfach zum Wandern in die Rhön gefahren ist (das Spiel gab es schon am Wahei Beach: Dort ist Tsunami-Gefahrenzone, samt Evakuierungshinweis. Nicole war wohl die historisch erste Touristin, die sich am Zeltplatz im Detail nach Routen und Zeiträumen erkundigt hat. Bis die Dame an der Rezeption mit strengem Blick anmerkte: Relax! ). Da der Wetterbericht - immer aktuell übers Smartphone verfügbar und leider ziemlich realitätsnah - erst Schauer, dann Regen, danach Eisregen verheißt und für die nächste Nacht minus 6 Grad, beschließen wir zu fahren. Auch wenn wir schon zwei Nächte bezahlt haben und das Geld natürlicht nicht zurück bekommen.
Der Zeltplatz leert sich innerhab von einer Stunde komplett. Beim Frühstück im standbeheizten Camper ist auf einmal der Alarm zu hören - Nicole fällt fast die Tasse Tee aus der Hand, Gerald seufzt und überlebt ob noch ein Bier da ist und Louisa ruft beglückt ¨Tütata, Tütata…¨. Da der Alarm schnell wieder endet, keine Stimme ertönt und alle umliegenden Camper seelenruhig weiter packen, gehen wir mal davon aus, dass nur ein Keller leergepumpt werden muss. Tatsächlich: Als Nicole sich beim Auschecken nochmal erkundigt, erläutert der sonnige Mitzwanziger an der Rezeption, dass das der normale Alarmton für die Feuerwehrleute war - vermutlich irgendwo ein Unfall. Lahar-Alarm gibt es öfter mal, berichtet der tiefenentspannte Kiwi und grinst: Beim letzten Ausbruch hatte er mit Kumpels gerade seinen Geburtstag gefeiert und erst was davon bemerkt, als eine australische Zeitung anrief, um nachzufragen, was vor ort los ist … Da der Gipfel gerade schneebedeckt war, hatte die Asche alles grau gefärbt. Ein Skifahrer hatte auf dem Berg irgendwie übernachtet, war dann hinuntergefahren und hatte weiße Spuren in der Asche hinterlassen. ¨Das sah cool aus.¨ Vermutlich muss man diese Vulkangeschichte einfach entspannter angehen.
Nach einem kurzen Besuch im Besucherzentrum machen wir uns 350 Kilometer auf den Weg gen Süden. Es schüttet und windet und schüttet und stürmt. Gerald hält den Camper tapfer auf Kurs, die Kinder ertragen den Fahrtag einigermaßen mit Würde. Kilian gesteht, dass er froh ist, die aktiven Vulkane zu verlassen. Nicole würde da gerne nochmal zum Wandern hin, da zwei Routen wegen des Wetters ausgefallen sind. Aber dann wird direkt im Skotel übernachtet. Die Straße gen Süden führt durch wirklich faszinierende Landschaften, sanfte Hügel, entlang tiefer Flußtäler. Aber mangels Haltemöglichkeiten und wegen des Regens - fast kein Bildmaterial. Und da die Neuseeländer selbst die Landschaft eher wenig spektakulär finden: Auch keine Postkarten.
Am Abend trudeln wir im Weinörtchen Martinsborough ein. Netter kleiner Zeltplatz mit einer wunderbar beheizten Küche samt Sofa. Dort ist ein dänisches Seniorenpaar schon eingezogen, eine deutsche Familie aus Memmingen kocht. Die Teenagerkinder wurde für ein Jahr aus der Schule genommen, damit die Familie reisen kann. Das ist dort am Gymnasium kein Problem. Kilian bekommt angesichts solcher Möglichkeiten leuchtende Augen: ¨Gehen die auch auf die Woogbachschule…?¨
Am Morgen regnet es nur noch leicht. Wir frühstücken in der warmen Küche (das dänische Ehepaar hat kurzzeitig den Rotwein gegen Kaffee eingetauscht) und bummeln mit Regenjacken danach in die …nunja: Innenstadt. Sagen wir: Den Innenort Martinborough wurde von einem Großgrundbesitzer namens Martin gegründet und zählt heute 1500 Einwohner. Ein sehr entspanntes Örtchen inmitten von Weingärten (nix Hügel), einigen Cafès und sogar einem Kino. Und: Zahlreiche Weingüter warten nur darauf, Weinproben mit einer kleinen Mahlzeit anzubieten - und die sind auch noch fußläufig erreichbar.
Bewaffnet mit einem Ortsplan machen wir uns also auf den Weg. Die erste Station (Schubert) lassen wir links liegen, weil uns schon leicht der Magen knurrt und es dort nur Wein gibt. Die nächste Station hat leider geschlossen. Der Vynyard, den wir angesteuert haben, hat komplett zu. Gegenüber liegt ein sehr schickes Weingut, das aber strikt nur Erwachsene haben will. Das wussten wir schon vorher, sind aber trotzdem mal hin: Weiße Tischdecken und viel aufgereihtes Besteck neben dem teuren Porzellan - ganz ehrlich, da würden wir mit Krawallknäuel und Terrorküken sowieso nicht essen gehen wollen. Aber die Bedienung schickt uns zurück ans andere Ende der Straße: Großes Außengelände, total kinderfreundich. Als wir nach einer halben Stunde dort sind, stellen wir fest: Kann alles sei, aber: Geschlossen!
Müde, hungrig, durstig machen wir uns wieder auf den Weg in den Ort. Zum Glück: Denn es fängt wieder ganz leicht an zu nieseln. Das Village Cafe ist zum Glück sehr geräumig (ehemalige Scheune) und hat eine große Spielecke, außerdem ist ein Weinladen dabei, der alles das vertickt, was wir vor Ort nicht verkosten konnten. Aber dann langt pro Person schon ein gut eingeschenkter Wein (Chardonnay und Pinot Noir) für einen netten Nachmittagsschwips. An der Weintheke ist zu erfahren, dass die meisten Weingüter von Donnerstag bis Montag geöffnet haben - heute ist halt nunmal Dienstag. Das Mittagessen besteht übrigens unter anderem aus einer sehr neuseeländischen Pizza, die mit Halloumi-Grillkäse, roter Bete, Rucola und Minze belegt ist.
Draußen regnet es schon etwas stärker. Wir bleiben, bestellen noch einen Kaffee. Es schüttet. Wir bleiben, trinken noch etwas kostenloses Wasser. Inzwischen ist sogar eine Krabbelgruppe eingetroffen und tummelt sich in der Spielecke. Inzwischen regnet es in Strömen - und das Cafè macht ja um 16 Uhr zu! Wir flüchten uns in die Bücherei, die einen Eingang weiter ist. Die wohl ruhigste Stunde für Nicole und Gerald seit langem: Kilian entdeckt Bauklötze und errichtet zwischen den Regalen Rennstrecken, Louisa sortiert Bücher um. Doch irgendwann ist es 17 Uhr und auch die Bücherei macht zu. Gerald läuft also durch den prasselnden Regen zum Zeltplatz und holt das Wohnmobil. Die Büchereichefin verschiebt ihren Feierabend, bis er wieder da ist. Sucht noch ausrangierte Bücher zusammen und gibt Kilian und Louisa einen Stapel mit. Und falls wir morgen noch da wären: Sie hat noch einige deutsche Kinderbücher im Kofferraum, da könnten wir uns gerne was aussuchen. Ach, die Kiwis ….
Im Supermarkt kaufen wir noch zwei Knirpse (wenn man so kurzfristig in Urlaub fliegt, kann man schonmal die Schirme vergessen) und schwimmen dann zum Zeltplatz. Inzwischen sind sämtliche Straßen geflutet, der Regen peitscht, Sturmböen lassen den Camper wackeln. Zum Glück ist die lauschige Küche leer - und als die Dänen kurz darauf wieder einziehen, trösten sie sich wieder mit viel Rotwein über den Kinderlärm hinweg und skypen. Die Nacht ist unruhig: Der Sturm ist so stark, dass das Wohnmobil schwankt.