Am Morgen windet es noch immer stark, der Regen prasselt und wir machen uns auf den Weg gen Wellington. Die Hauptstadt liegt nur 1,5 Stunden von Martinborough entfernt und der Weg führt durch Berge mit dichtem Farnregenwald -sehr hübsch und kurzzeitig sogar mal trocken. Doch dann fahren wir in dicke Wolken. Wir orten kurz den Zeltplatz in Lower Hutt, einem Vorort. Aber es stürmt gerade so, dass wir erstmal an der Küste entlang weiterzuckeln.
Dort laufen gerade Aufräumarbeiten, da das Meer schon die ganze Nacht Unrat auf die Straßen gespült hat und noch immer ans Ufer peitscht. Während wir den Straßenarbeitern aufmunternd zulächeln - lächeln die zurück, grüßen. Erstaunlich. In Days Bay sehen wir ein kleines Cafe und huschen rein. Es ist einigermaßen warm, Kilian und Louisa finden spannende Such-Bücher - da bleiben wir doch gerne länger. Als wir irgendwann dann doch aufbrechen müssen, kommt noch kurz die Chefin. Sie will dann doch wissen, wo wir eigentlich herkommen und entschuldigt sich für das Wetter.
Direkt neben dem (sauteueren, weil Hauptstadt) Topten Campingplatz liegt ein Indoorspielplatz. Die Rettung! Denn inzwischen peitscht der Regen so, dass wir nur kurz unseren Stellplatz sichten, aber nichtmal aussteigen, sondern im Camper aufs Klo gehen, schnell was essen und dann ins Junglerama gehen. Dort treffen wir - die dänische Familie, die wir schon aus Wahei und Rotorua kennen. Und wir lernen Sina und Jens aus Jena kennen, die mit Arwin und Anouk unterwegs sind. Genau: Elternzeit. Nach dem Essen in der Großküche (mit sehr vielen sehr leeren Schränken. Wir sehnen uns nach dem kuschligen kleinen Zeltplatz in Martinborough!) Treffen wir die Thüringer noch auf eine Runde toben im Spieleraum.
Der Games Room ist ein trockener Ort. Das ist das einzige Positive, was man über ihn sagen kann. Denn dieser Ort ist prall gefüllt mit sinnlosen Apparaten, die Kinder für einen oder zwei Dollar nach Schokolade angeln, Rennen fahren oder Stofftiere kaufen lassen. Wir halten durch und es gibt trotz großem Gequengel nur Tischkicker. Und den Austausch von Handynummern: Sina und Familie setzen schon morgen auf die Südinsel über, die Dänen am Freitag. Wir haben erst für Sonntag einen Termin bekommen, weil wegen des Sturms heute sämtliche Fahrten gestrichen wurden. Diesmal liegt der Wetterbericht falsch: Auch nachts gibt es noch Sturmboen und Regen.
PS: Erika, Geralds Schwester, geht es ja seit über einer Woche auf Lanzarote genauso. Wir bieten Boen mit 85 Stundenkilometern - wer bietet mehr?
Endlich: Es regnet nicht mehr. Und am Nachmittag strahlt wieder die Sonne vom wolkenlosen Himmel! Aber vorher ist Kilian noch vollkommen damit ausgelastet, mit Emily Enten quer über den Zeltplatz zu scheuchen. Derweil tauschen sich die reisenden Mütter darüber aus, dass es durchaus anstrengend ist, mit den Kurzen auf Tour zu sein. Dass wir nicht genug warme Klamotten für noch viele Sauwettertage dabei hätten. Waschen müssen, weil langsam die Luft im Camper leidet. Abends immer mit den Kindern einschlafen und kaum zum Lesen kommen. Und um keinen Preis gerade jetzt gerne woander sein würden.
Bevor es morgen in die Haupstadt geht, wollen wir noch eine Runde am Meer wandern und fahren ganz bis zur Südspitze. Die Straße geht durch ein unglaublich idyllisches Tal. Da ist es dann, dieses Neuseeland-Gefühl, von dem alle immer gesprochen haben. Es ist hier so unbeschreiblich - grün. In allen möglichen Schattierungen, Farbtönen, Abstufungen. Wahnsinn. Klar, grüne Wiesen mit Schafen und Pferden gibt es auch in Wales. Aber hier stehen dann noch ein paar Palmen, wachsen baumhohe Farne. Einfach nur schön!
Wir wandern drei Stunden an der Küste entlang, ein gepflegter Trail mit der vagen Möglichkeit, Robben zu sehen. Der Sturm hat auch hier seine Spuren hinterlassen, wir finden Seepflanzen mit meterlangen Blättern, die dick und ledrig fest sind. Zuerst sehen wir ein totes Schaf. Gerald und Kilian entdecken später immerhin eine Robbe. Eine steinige Küste, ein Strand mit grausilbrigem Sand, dazu das Meer - wir kommen natürlich wieder zu spät heim. Müssen noch einkaufen, Wäsche waschen, kochen … Immerhin: Um 22 Uhr schlafen Kilian und Louisa. Und endlich prasselt mal kein Regen aufs Dach.
Nachtrag: Uns hat eine Mail aus Devonport/Auckland erreicht: Missy, die betagte Katze, ist kurz nach unserer Abreise in den Katzenhimmel umgezogen.
Der zu Wellington gehörende TopTen Holiday Park liegt im Vorort Lower Hutt und eigentlich eher mitten im Gewerbegebiet, als im Grünen. Dennoch: Viele Bäume, große Wiese, Spielplatz, Jumping Pillow. Aber heute tauschen wir diesen Platz gegen den in downtown Wellington ein. Das Motorhome Parking ist nicht mehr, als ein großer Wohnmobilstellplatz mit Duschen und Toiletten, also ein großer Parkplatz direkt neben der vierspurigen Einfallsstraße in die Hauptstadt und am Hafen gelegen. Stellplatz mit Strom 50 Dollar pro Nacht und immer ziemlich ausgebucht, weil die Fähre quasi eine Straße weiter ablegt. Wir sind erst skeptisch und buchen deshalb erstmal eine Nacht - auch wenn am Sonntag um 9 Uhr die Fähre auf die Südinsel geht.
Als windy wellington ist die Stadt bekannt und so lernen wir sie auch kennen: Stets eine steife Brise. Aber immerhin bei Sonnenschein. Wir bummeln gemütlich am Hafen entlang. Die Waterfront wurde in den vergangenen Jahren rausgeputzt und so reihen sich schicke Lokale aneinander, große Lagerhallen mit Kajak-Ausrüstung oder der Start/Landeplatz für drei Helikopter. In bester Lage am Wasser: Ein Spielplatz mit Rutsche und Schaukeln, daneben ein kleiner Wagen mit Kaffeeverkauf - mehr brauchen wir erstmal nicht.Außerdem gibt es ja viel zu Gucken: Die Helis heben nacheinander ab, eine Schulklasse paddelt mehr oder weniger erfolgreich in Kajaks vorbei, die Fähren legen ab.
Nächste Station: Te Papa, das große Museum Neuseelands, ein moderner Neubau, ebenfalls im Hafen gelegen. Direkt neben dem Eingang werden die Quake Brakes vorgestellt, die Bauelemente, die das Gebäude erdbebensicher machen sollen. (Die Entdeckung eines kiwi-Ingenieurs, wie im Begleitfilm mehrfach betont wird.) Das Haus ruht auf zahllosen niedrigen Säulen aus Blei und Gummi, die die Schwingungen aufnehmen könnten und anders als Stahl/Gummi-Säulen nach einem Beben auch nicht ausgetauscht werden müssen. Spannend: Im Film über den Te Papa-Bau wird der Einhaltung des Maori-Protokolls, also der Riten der Alten vor dem Bau, auch eine wichtige Rolle zugeschrieben.
Für diesen Tag nehmen wir uns nur zwei Stockwerke vor, einmal die geografische/geologische Seite vor. Dazu gehören unter anderem eine begehbare Landkarte, Hintergründe zu Vulkanen und Beben und die hiesige Flora und Fauna. Ein ausgefallenes Exponat: Ein Riesentintenfisch, in Formaldehyd konserviert, unter einer dicken Plexiglasschicht zu bestaunen. Der Oktopus wollte nicht von einem Fisch lassen, der von einem Boot gefangen worden war, blieb freiwillig knapp unter der Wasseroberfläche und ist deshalb schnell gestorben. Für uns Museumsbesucher ein Gewinn: Man kann den Schnabel (ja: Tintenfische haben einen Schnabel. Das wussten drei von vier Mitglieder der Reisegruppe vorher aus nicht) bestaunen und angesichts der fußballgroßen Augen (!!) kurz die Luft anhalten.
Nach einem weiteren Kaffeestopp in der Bücherei und einem Bummel durch drei der unzähligen Outdoorläden in der Innenstadt gehen wir kurz zurück zum Camper und rüsten uns für den Abend, Denn wie es der glückliche Zufall will, läuft gerade das New Zealand Festival. Dazu gehört auch ¨Power Plant¨, eine Licht/Sound Installation im Botanischen Garten, die kurz nach Einbruch der Dunkelheit beginnt. Vorher versuchen wir, in den Geschäftstraßen noch etwas zu essen zu erjagen - aber da bleiben nach 18 Uhr nur McDonalds oder Burger King. Nachdem die Kinder mit Chicken Nuggets, Pommes und Eis recht zufrieden und satt sind, geht es zur Cable Car de Hügel hinauf. Dort stellen wir erstaunliches fest: Das Cafe hat noch offen! Kann aber nur am Festival liegen. Wir holen uns Karten und vertreiben uns noch eine Dreiviertelstunde Wartezeit. Bis es endlich 20.30 Uhr ist und losgeht, haben sich tatsächlich schon etwa 200 Menschen versammelt. Aber wir stehen zufällig bei der ersten Tour in der ersten Reihe.
Der Weg führt durch den stockdunkeln botanischen Garten von einer Installation zur nächsten. In kleinen Grüppchen bekommen die Besucher zunächst eine Einweisung (Es ist dunkel. Das ist ein Park. Achtung, stolpern sie nicht über Wurzeln. Etc), danach ist man alleine unterwegs.An jeder Kreuzung, jeder Treppe steht jemand und weist den Weg, damit sich auch niemand verirrt. Fotografieren ist natürich verboten, aber … es gibt etwas Filmmaterial. Und so geht es los, mit zwei Kindern, die durchaus großen Respekt vor einem zappendusteren Park haben. Es hieß zwar, der Buggy wäre kein Problem, aber Gerald darf ihn schließlich über Hunderte von Treppen tragen und Nicole hat eine müde Prinzessin auf den Schultern - und Kilian an der Hand.
Dennoch, es lohnt sich: Es gibt Lichter in den Bäumen, dazu Klopfgeräusche, die an Spechte erinnern, An einem kleinen Teich führen Gasfackeln, die an-und ausgeschaltet werden können, eine kleine Choreographie auf. Discokugeln werfen ein magisches Licht, während Musik von zwei Grammophonen kommt. Beleuchtete Nachthemden tummeln sich in den Blumenbeeten, Klangschalen ertönen —- alles sehr abgefahren und ziemlich beeindruckend. Nach etwa der Hälfte der Strecke gibt es Tee und Gebäck. Auf einer Bühne stehen großblättrige Topfpflanzen, die von sich bewegenden Schweinwerfern angeleuchtet werden und zudem einen Geigenbogen bewegen. Wow. (Es sind übrigens noch mehr Familien unterwegs, aber in Sachen Respekt vor der Dunkelheit liegen die Tauerskinder ziemlich weit vorn)
Gegen 21.45 fahren wir mit der Cable Car wieder in die Innenstadt - und begegnen Hunderten von Menschen die gerade auf dem Weg zur Power Plant sind. Ein lokales Rugby-Spiel ist gerade vorbei, aber die Fans ziehen friedlich durch die Innenstadt. Die Nacht direkt an der vierspurigen Straße ist natürlich nicht ganz leise - für eine Hauptstadt aber doch recht entspannt.
Nachdem die Nacht gut gelaufen ist, beschließen wir, noch eine zweite dort zu verbringen. Am Vormittag geht es zum Parlament (das Gebäude wird wegen seiner Architektur auch als Bienenstock bezeichnet) und dem Regierungssitz. Daneben ist ein Betonklotz namens St. Paul, in dem gerade ein kirchliches Treffen stattfindet. Eigentlich ein Grund, schnell weiterzugehen, Die Kinder sichten jedoch einen Hotdog-Stand, der von freundlichen, leicht vergeistigten Ehrenamtlichen betrieben wird, und haben Hunger. Insgesamt drei Hotdogs später machen wir uns auf den Weg zur anderen Kirche namens St. Paul - eine wunderschöne alte Holzkirche! So schön, dass sogar unsere Kinder Respekt zeigen und nicht herumrennen wollen. (Macht auf dem dicken Teppich ja sowieso keinen Lärm und deshalb weniger Spaß). In dem Viertel finden sich übrigens hübsche Botschaftsgebäude - nicht wie bei uns von den USA oder Italien, sondern von den Cook Islands, den Fidji-Inseln und Thailand.
Etwas Souvenirs shoppen, Kaffeestopp und dann ab zum Hafen: Dort fahren heute die Drachenboote, ein sehr heiterer Wettkampf, bei dem alle Altersklassen und sehr bunte Truppen vertreten sind. Danach beobachten wir, wie sich junge und nicht mehr ganz so junge Jungs unter dem Applaus der Zuschauer von einem Sprungturm ins Hafenbecken stürzen -mal elegant, mal mit zugehaltener Nase. Wellington wird seinem Slogan als ¨coolste kleine Hauptstadt der Welt¨ (der auch zwischen den Börsenkursen über das Laufband flimmert) damit durchaus gerechnet. Cool ja, aber auch sehr beschaulich - in den Gesäftsstraßen sind am Samstagmittag die Gehsteige hochgeklappt wie in einer deutschen Kleinstadt.
Danach noch eine Runde ins Te papa. Das Museum hat auf jeder Ebene mindestens zwei Kinder-Entdeckungsbereiche und noch so viele spannende Exponate, von denen wir aber nur einen Bruchteil sehen. Um 18 Uhr werden wir schließlich vor die Tür gekehrt und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant. Dabei verlassen wir uns mal wieder auf den Michael-Müller-Reiseführer und gehen zum indischen ¨Masala¨. Günstig, sehr lecker, kinderfreundlich. Kilian, der zuhause höchstens Sojasoße an seinen Reis lässt, verschlingt fast eine komplette Portion Chicken Tikka Massala, Louisa hält sich mal wieder an Pommes, probiert aber immerhin die Zwiebelringe.
Auf dem Rückweg zum Camper legen wir noch einen Schaukelstopp am Hafen ein. Dort sehen wir schon zum wiederholten Mal Asiatinnen, die offensichtlich als Kinder nie geschaukelt sind, da sie die Bewegungen nicht verinnerlicht haben. Kilian bietet drei staunenden Touristinnen eine kurze Einlage im Turbo-Schaukeln, mit fliegendem Wechsel vom Sitzen zum Stehen. Als wir feststellen, dass im Hafenbecken wohl was zu sehen ist, eilen wir auch hin. Und bewundern einen sehr großen Seestern. Ein Pärchen zeigt uns aber dann auf dem Smartphonefoto, was die echte Sehenswürdigkeit war: Nur einen halben Meter vom Ufer entfernt war gerade ein Rochen unterwegs gewesen! Das kommt wohl garnicht so selten vor - und genau deshab sind auch garnicht selten Orcas direkt in der Bucht. Wir sind angemessen beeindruckt und blicken noch eine Weile in die Dämmerung, sehen aber nur eine schöne Hafenpromenade,
In dieser Nacht ist in der netten kleinen Hauptstadt fast kein Auto zu hören: Ohne Rugby schläft Wellington ganz tief und fest.
Der Wecker klingelt früh, schließlich müssen wir schon um 8 Uhr bei der Fähre sein, die um 9 Uhr ablegen soll. Wir vertrösten die Kinder mit der Aussicht auf ein baldiges Frühstück an Bord und werden mit einem schönen Sonnenaufgang in der Bucht von Wellington entschädigt. Allerdings verliert selbst die romantischste Stimmung irgendwann ihren Reiz, wenn man mit knurrendem Magen eineinhalb Stunden in einer Warteschlange steht … Unsere Fähre der Gruppe Interislander legt schließlich mit eineinhalb Stunden Verspätung ab, was die resolute Kapitänin noch immer mit dem Sturm von vor drei Tagen begründet. Aber wir haben noch Glück: Die Fähre um 15 Uhr wurde jetzt schon auf 17 Uhr verschoben.
Bisher war es immer so, dass es immer noch spannender wurde, als gedacht. Als wir in Melbourne waren, dachten wir, dass Sydney doch garnicht so viel aufregender sein kann. Nach drei Wochen Australien hatten wir schon das Gefühl, eigentlich direkt heimfliegen zu können, so viel hatten wir schon erlebt. Und jetzt können wir uns nach drei Wochen auf der Nordinsel Neuseelands kaum vorstellen, dass uns noch etwas auf der Südinsel umwehen soll, schließlich waren Regenwald, Vulkane und Geysire doch schon beeindruckend genug. Dabei sagt jeder, wirklich jeder Kiwi, dass die Südinsel so wild, so unglaublich, so toll sein soll. Doch kaum fahren wir in den Charlotte Sound - den langen Fjord, an dessen Ende Picton liegt - ein, stehen Gerald und ich an Deck und sagen nur: Wow. Trotz sehr tiefer Wolken eine Landschaft wie gemalt. Allerdings können wir Kilian und Louisa noch nicht so ganz den Reiz von ¨Schau mal der Hügel da¨ und ¨Hast du die Bucht dort gesehen?¨ vermitteln, so dass es irgendwann doch nach drinnen geht.
Auf der wilden Südinsel schert sich das Wetter wenig um den Bericht. Während die Anzeige weiter hartknäckig ¨Picton, Sonne, 25 Grad¨ meldet, zuckeln wir einen steilen Pass nach oben und sehen nur Wolken. Unser Ziel: Ein Zeltplatz auf Smiths Farm, der in weltwunderer-Blog hochgelobt wurde. Auch wenn wir es inzwischen besser wissen sollten: Wir können kaum glauben, dass er soooo besonders sein soll - und werden gleich wieder eines besseren belehrt. Mitten in den Marlborough Sounds mit ihren zahllosen Buchten und Fjorden liegt er vergleichsweise im Hinterland, hinter einer hohen Hecke und gehört zu einer echten Rinderfarm. Klein, aber fein. Zur Begrüßung erwarten uns vier ofenwarme und leckere Muffins, die Kinder bekommen Futter für die Tiere (Schaf, Schwein, Ziege, Meerschweinchen und Hase) in die Hand gedrückt, für die Erwachsenen gibt es eine Wanderkarte, die sich als Schatzkarte tarnt.
Der Nachmittag vergeht superentspannt mit Schafe füttern, Schafe streicheln, Wäsche waschen, Schaukeln - die ländliche Idylle tut nach dem Stadtparkplatz in Wellington uns vier sehr gut. Zum Abendessen sind eigentlich Bratwürste auf dem BBQ geplant (Barbeque: Ein Wort, das Louisa direkt in ihren aktiven Wortschatz übernommen hat. Genauso wie Singapur und Melbourne), doch dann sehen wir, dass ein fahrbarer Pizzaofen anrollt. Kerstin aus Pegnitz ist vor dreizehn Jahren mit ihrem Mann auf die Südinsel ausgewandert und bewirtet seit drei Jahren Zeltplatzgäste mit leckeren Pizzen und Flammkuchen - da greifen wir doch gerne zu. Tatsächlich ist es die erste Pizza in diesem Urlaub, die italienisch schmeckt!
Dann heißt es. Wanderschuhe schnüren, Stirnlampen auf und Schatzkarte in die Hand nehmen. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wollen wir den rot markierten Weg zum Schatz finden, der quer über die Schafswiese und über diverse Felder führt. Dann geht es durch ein Stück Regenwald, am Bach entlang, ziemlich schmal, ab und an glitschig, manchmal abschüssig, bis man zu einem Wasserfall gelangt. Wir sind zu acht: An Kerstins Pizzaofen hatten wir Daniela (Architektin), Jens (Managerberater). Lilo (6) und Romy (4) aus Bremen kennengelernt (dreineinhalb Monate Australien und Neuseeland, dazu eine Woche Chillen in Vietnam) und uns spontan zu einer Schatzkartengruppe zusammengeschlossen. Kilian und Lilo verstehen sich als die Großen und eilen voran, die an der Rezeption ausgeliehenen Taschenlampen fest im Griff. Erstes Ziel im Urlaub ist ein Wasserfall. Der führt zwar gerade nur wenig Wasser, hat aber eine durchaus beeindruckende Höhe und liegt einfach schön. Durch das Halbdunkel gehen wir zurück zu einer markierten Stelle - die Kids bemerkenswert trittsicher, Louisa versenkt dafür aus der Höhe der Kraxe einen Schnuller im Wasser, der nicht mehr auftaucht. Und nach 15 Minuten Wartezeit sehen wir den Schatz: Ganz viele Glühwürmchen…
Die Bremer Mädels hatten übrigens schon nach fünf Minuten den aktuellen Hit aus ihrem Kindergarten intoniert, den wir an dieser Stelle unbedingt festhalten wollen. ¨Kling Glöckchen klingelingeling, kling Glöckchen kling. Alle Leute wissen, Bayern ist beschissen. Sie kommen nie wieder in die Bundesliga. Kling Glöckchen klingelingeling, kling Glöckchen kling.¨
Die Sonne strahlt, der Tag beginnt entspannt. Kilian und Lilo entwerfen mit Hilfe von Jens selbst eine Schatzkarte, alle Tiere werden nochmal geherzt, Camper-Toiletten fit gemacht, Mailadressen getauscht … und bis wir die Kinder schließlich aus dem Hasenstall herausfischen ist es tatächlich schon nach 12 Uhr.
Heute wollen wir bis ans Ende des benachbarten Keneperu Sounds fahren. Da sich Kurve an Kurve reiht, ist es eine lange Zuckelei, aber mit Ausblicken auf traumhafte Buchten und Strände. Ganz am Ende ein kurzer Stopp in einer Flußmündung und dann überlegen wir, dass eine Bucht für die Pause doch netter wäre. Also schaukeln wir zurück und halten an einer Minibucht. Aber: Mit Picknickbänken, einer Schaukel am Baum, türkisblauem Wasser und Sandstrand.
Allerdings ist Campen dort verboten (verständlicherweise, auf der anderen Seite der Straße sind ja gleich die Häuser der Anwohner). Also geht es weiter zurück. Noch eine Traumbucht, dazu das verheißungsvolle Schild ¨ Cafè¨: In einem exklusiven Resort gibt es ein öffentliches Café, den man auch auf der Terrasse mit sagenhaftem Ausblick genießen darf. Machen wir natürlich, Cappuccini, Fluffies und Karottenkuchen sind erstaunlich günstig. In die Bucht selbst dürfe wir aber nicht - das ist den zahlenden Resortgästen vorbehalten ….
Auf der Suche nach einem Nachtquartier fahren wir weiter Kurve um Kurve zurück. Die Stimmung auf der Rückbank fällt langsam, von den angeblichen vorhandenen Campingsites keine Spur. Da entdecken wir einen Zeltplatz, der nicht auf der Karte verzeichnet ist: In der Double Bay darf man zwei Nächte stehen bleiben. Es gibt ein Plumpsklo, sonst nichts. Wir suchen uns neben etwa 10 anderen Fahrzeugen einen Standplatz, werfen Würstchen in die Pfanne und bummeln noch eine Runde an die (kostenlose) Bucht, die ja nur ein paar Meter weiter liegt und dank Ebbe minütlich mehr Sandstrand zeigt.
Der Wetterbericht verkündet: Strahlender Sonnenschein! Genau jetzt, genau da, wo wir sind! Allerdings bekommen wir davon nichts mit, weil die Wolkendecke gerade an das Dach vom Wohnmobil kratzt. Wir fahren also durch leichten Niesel - den es in der Region angeblich schon seit Januar nicht gab, weshalb sehnlichst auf Regen gewartet wird. Die Landschaft ist schon kurz hinter den Buchten fast wie das Voralpenland. Allerdings wird hier heftigste Forstwirtschaft betrieben, so dass die Hügel voller Nutzwald, frisch abgeholzt oder schon wieder zart bewachsen sind. Nicht immer ein schöner Anblick. Andererseits haben wir in den vergangenen Wochen so wenig Gewerbe, geschweige denn Industrie gesehen, dass man es den Kiwis auch nicht verübeln kann.
Auf den Reiseführer ist Verlass: Im Hinterland erwartet uns an der Brücke über den Fluss Pelorus erst ein gutes Cafè, danach ein schön ausgebauter Wanderweg. In insgesamt zweieinhalb Stunden geht es ausgesprochen gemütlich durch den Wald zu zwei kleinen Wasserfällen. Oberhalb des Flusses geht es direkt neben dem Weg zwar steil runter, aber um Kilians Trittsicherheit müssen wir uns zum Glück ja nicht sorgen. Als Belohnung gibt es danach zwei Kugeln Eis.
Erst als wir die Brücke kreuzen, sehen wir, dass der Fluss an dieser Stelle ein beeindruckendes Flussbett gegraben hat. Aber wir wollen noch in die Okiwi-Bucht zum gleichnamigen Zeltplatz. Das bedeutet: Eine Stunde Kurvenfahren, schon fast in der Dämmerung einchecken - und feststellen, dass wir irgendwo am Ende der Welt gelandet sind. Die Betreiber des Platzes sind freundlich, leben aber offensichtlich vom für Angler äußerst gut sortierten Laden und der Mini-Tankstelle. Am tristen Platz kann es nicht liegen. Der Ort selbst … nunja, es gibt beschaulich und es gibt öde. Okiwi ist einfach nur öde, da hilft auch die Bucht nichts mehr. Erst jetzt stellen wir fest, dass wir auch einfach am Pelorus hätten bleiben können, da hätte es auch einen Zeltplatz gegeben. Aber so teilen wir uns den großen Platz mit einem skandinavischen Pärchen (das die ganze Zeit skypt), einem Seniorenpärchen (das im Camper Fernsehen schaut), Straßenarbeitern und einem jungen Deutsch-Neuseeländer, der auf einer Austernfarm jobbt. Das WLan reicht gerade, um ein paar Geburtstagsgrüße nach Deutschland zu schicken. Die Küche verströmt den Charme der Unimensa. Ein Schild warnt: Hier keine Parties! Also: Ab ins Bett und morgen nichts wìe weg.